Chiffriergerätebau : drehbare Grilles

Chiffriergerätebau : drehbare Grilles.

Vorbereitung der Grille (quadratisches Lochmatrix)

Man nehme ein Stück quadratischkariertes Papier und schreibe in z.B. 36 Felder (6*6) die Zahlen 1 bis 36. Man nehme dann ein quadratisches Stück Pappe und unterteile es in Kästen gleiche Größe . Dann schneidet man Kästchen aus der Pappe aus. Aber so, dass wenn das Papp-Quadrat (Grille) über den die Papierfelder jeweils 3 mal um 90 Grad gedreht wird, jedes Feld genau einmal gesehen werden kann. Um dies sicherzustellen, hakt man die Ziffern 1 bis 36 ab.

So entsteht, wie in Bild 9 dargestellt, eine drehbare Grille, hier mit 9 Löchern. Im Beispiel wird eine Grille des HNF verwendet.

Sender

Der Sender legt die quadratische Grille auf ein leeres Blatt Papier und markiert Ihre Ecken, so dass er präzise das Quadrat drehen kann, ohne die Position zu verlieren. (siehe Bild 9)

Bild 9 : eine drehbare quadratische Grille

Dann schreibt er, wie üblich zeilenweise, durch die Öffnungen in der Grille auf das darunter liegende Papier.

Die Nachricht lautet:

GREIFT AM ZWOELF UHR HEUTE AN. OBERST WOLF.
Merke, selbst Schreibfehler des Senders werden mitverschlüsselt (AM statt UM als zweites Wort).

Zunächst passt also GREIFTAMZ (die ersten 9 Buchstaben) in die Grille (Bild 10a). Dann dreht er die Grille im Uhrzeigersinn und schreibt die nächsten 9 Buchstaben WOELFUHRH hinein (siehe Bild 10 b).

10a: Null Grad Drehung, die ersten 9 Buchstaben.

10b: 90 Grad Drehung, die zweiten 9 Buchstaben.

10c: 180 Grad Drehung, die dritten 9 Buchstaben.

10d: 270 Grad Drehung, die letzten 9 Buchstaben.

Nach zwei weitere Drehungen ist der Sender fast fertig. Er füllt etwaige noch leere Kästchen mit Nonsens Buchstaben (hier XX). Dann entfernt er die Grille und sieht Bild 11 als Ergebnis. Diese Grille Transposition schreibt er üblicherweise in Gruppen von 5 Buchstaben ab und sendet diese.

Bild 11 : Das Ergebnis unserer Grille Transposition

Der Empfänger

Der Empfänger besitzt dieselbe Grille. Er schreibt zuerst den Geheimtext in ein maßstabsgerechtes 6 * 6 Quadrat. Dann legt er die Grille darauf und kann sofort die ersten 9 Buchstaben der Nachricht im Klartext von links nach rechts und von oben nach unten abschreiben. Dann dreht auch er die Grille um 90 Grad rechts und schreibt die nächsten 9 Buchstaben ab. Und so weiter.

Kryptanalytiker (= Code-Knacker):

Bei längeren Nachrichten kann der Kryptanalytiker (= Code-Knacker) durch eine Frequenzanalyse der Buchstaben feststellen, dass es sich um eine Transposition, und nicht um eine Substitution, handelt. Das übliche Dechiffrierverfahren für spaltenweise Transposition schlägt jedoch fehl, weil die Grille verwendet wurde, statt einer spaltenweisen Transposition. Aber der Tatsache, daß es eine quadratische Anzahl von Buchstaben (16,36,64,100,144 usw.) gibt, weist uns darauf hin, daß es sich um eine Grille (mit gerade Anzahl Quadrate pro Seite) handeln könnte.

Alternative 1 : Wie immer, ist es wichtig an den Schlüssel zu kommen, weil er wiederverwendet wird. Der Kryptanalytiker muss bloß in den Besitz der Grille kommen, z.B. durch Bestechung, Diebstahl, Erpressung usw. Alle folgenden Geheimnachrichten sind ihm offen, denn der (sehr einfache) Schlüssel ist durch die Reihenfolge der Löcher in der Grille und der Drehrichtung gegeben, und da gibt es nicht so viele Alternativen. Also ist auch diese Verfahren nicht viel wert !

Alternative 2 : bekannter Klartext (engl. known plaintext). Beispiel: Im zweiten Weltkrieg haben die deutschen Wetterschiffe ihre Wetterberichte verschlusselt gesendet. Ein etwaiges Schiff der Allierten im gleichen Gebiet (Planquadrat der Karte) brauchte bloss selbst Wetterbeobachtungen zur selben Zeit zu machen und wusste, um den Klartext der Nachricht zu raten; etwa "8 km Sicht, Temperatur 11 Grad, Taupunkt 7 Grad, Wolkenbasis 250 meter, Luftdruck 1013 millibar, Trend 6 km 10/8 Grad, 200 meter, 1015mb". Wenn ich den Klartext war für einen bestimmten verschlüsselten Text kenne, dann erleichtet es mir den (wiederverwendbaren) Schlüssel abzuleiten !

Alternative 3 : ausgewählter Klartext (engl. chosen plaintext). Hier werden wir nun ein Beispiel komplett durcharbeiten.
Der Kryptanalytiker trickst den Gegner aus, in dem er ihn dazu verleitet, einen ausgewählten Klartext zu verwenden. Nicht lachen, das geht. Im zweiten Weltkrieg hat die englische RAF gezielt und sichtbar in bestimmten Planquadraten des Ärmelkanals Minen gelegt. Daraufhin funkten die deutsche Beobachter an der Küste Frankreichs verschlüsselt "RAF hat um 13:46 in Planquadrat XYZ genau 25 Minen gelegt", die genaue Formulierung war ein militärischer Standardtext.

Der Kryptanalytiker geht in zwei Schritte vor. In Schritt 1 verwendet er den ausgewählter Klartext um die Reihenfolge der Löcher in der Grille kennenzulernen. In Schritt zwei wendet er diese Reihenfolge auf den verschlüsselten Geheimtext an, um dessen Klartext herauslesen zu können. Dabei muß der ausgewählte Klartext nicht mal in derselben Sprache sein, er muss nur dasselbe Alphabet verwenden.

In folgenden ausführlichen Beispiel wird sogar ein englischer ausgewählter-Text verwendet, um einen deutschen Geheimtext zu knacken. Der ausgewählte Text ist jedoch sorgfaltig so konstruiert, daß sich etliche Buchstaben nicht wiederholen. In diesem Beispiel verwende ich für Schritt 1 den (unrealistischen) Text: "a quick brown fox jumped over the lazy dogs". Daraus ergibt sich folgende ausgefüllte Grille :

Bild 11a : Der verschlüsselte ausgewählte Text
Die Buchstaben die nur einmal vorkommen lokalisieren wir und rekonstruieren einen Teil unseres Klartexts als:-

-q-ickb--wnf-xj-mp---v--th-l-zy--gsx

Die Positionen dieser bekannten einmaligen Buchstaben tragen wir nun statt die Buchstaben in eine neue Grille ein und erhalten:

Bild 11b : die Position der bekannten eindeutige Buchstaben
Hier sehen wir, daß der eindeutige Buchstabe "Q" in Position 2 des Klartextes in Zeile 1 Spalte 5 der Grille erscheint. Der eindeutige Buchstabe "I" in Position 4 des Klartextes erscheint wiederum in Zeile 3 Spalte 6.

An die offene Stellen des Grilles tragen wir nun die bekannten - aber leider nicht eindeutigen - Buchstaben ein, sowie alle alternative Positionen gleiche Buchstaben. Beispiel: Im Positionen 1 und 29 der ausgewählter Klartext erscheint Buchstabe "A". Diese beide "A" sind in Spalte 1, Reihe 2 resp. Spalte 1 Reihe 2 in der Grille vorhanden , aber wir wissen nicht in welche Reihenfolge. Also tragen wir beide Zahlen jeweils ein und erhalten somit:

Bild 11c : die Position alle (inkl.mehrdeutige) Buchstaben
Jetzt kommt Schritt 2. Wir nehmen uns den (noch) geheimen Text aus Bild 11 (hier wiederholt) wieder vor.

Bild 11 : Der verschlüsselte Geheimtext

Wir schreiben die Buchstaben der eindeutig bekannten Stellen in der richtigen Reihenfolge ab, und erhalten:

-r-ifta--woe-fu-rh---e--ob-r-tw--f--

Aus Bild 11c sehen wir, dass wenn an Position 1 eine G ist, dann muss an Position 29 einen S stehen und umgekehrt. Analog gibt es Alternativvorschläge an anderen mehrdeutigen Stellen. So könnte an Stelle 3 nur eine E oder eine H stehen. Also haben wir jetzt für die ersten 7 Stellen folgende 4 Alternativen

GREIFTA

GRHIFTA

SREIFTA

SRHIFTA

Kenntnisse der deutschen Sprache (Voraussetzung für der Kryptanalytiker hier) sagen uns, daß nur GREIFT für die ersten 6 Buchstaben sinnvoll sind. Jetzt probieren wir die andere Alternativen analog durch und erhalten:

GREIFT AM ZWOELF UHR HEUTE AN. OBERST WOLF.

Und was wichtiger ist, wir haben die Positionen der neun Löcher in der Grille abgeleitet und können somit alle andere Geheimtexte knacken, die mit dieser Grille chiffriert worden sind! In der Praxis, eine Sache von wenige Minuten.

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