Tiere als Spiegel der Seele und Sinnbild der Kultur
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Fisch


Zum Symbol, zum Sinnbild gewordene Eigenschaften

  • Der Fisch als Essenz des Wassers zu allen Zeiten und in allen Kulturen als Sinnbild für sich ewig erneuerndes Leben verstanden. Eros und Gefühl, Kraft und Nahrung, Magie und Glück, Samen und Fruchtbarkeit - er war Attribut der Göttin und des Gottes.
  • Der Fisch symbolisiert das Wasser selbst. Und als Wassergeschöpf wurde er, wie dieses selbst, zum Symbol des Glücks oder des Schreckens in des Menschen seelischen Tiefen.
  • Fisch-Männer und Nixen entsprangen der menschlichen Phantasie als innere Bilder. Als evolutionär uraltes Tier war und ist der Fisch wie eine Ahnung von Erinnerungen an ein Leben im Wasser.


Der Fisch als weibliches Symbol des Lebens

Für die Worte "Mutter" und "Meer" gab es im alten Mesopotamien nur ein einziges Schriftzeichen. Auch in vielen europäischen Sprachen erkennt man noch heute, daß "Mutter" (lateinisch: mater) und "Meer" (lateinisch: mare) die gleiche Wortwurzel haben. Die Alchemisten bezeichneten das Meer als die "Prima Mater", und wenn die Wissenschaftler heute von dem Meer als der Ursuppe des Lebens sprechen, bestätigen sie die lebensspendende Bedeutung des Meeres nur mit anderen Worten.

So erstaunt es nicht, daß die Große Mutter häufig als Fischgöttin dargestellt wurde, oder man ihr den Fisch als Attribut beigab. Das Zeichen der "vesica piscis" (Gefäß des Fisches), von zwei Halbmonden geformt, war ein über die ganze Welt verbreitetes Symbol der Vulva. Die Hindus gaben der Großen Mutter, der yonischen Göttin den Ehrentitel "Fischgeruch", weil sie die weiblichen Geschlechtsteile als nach Fisch riechend empfanden. An diese Symbolik der Vesica Piscis erinnern noch mittelalterliche Darstellungen mit dem Christuskind darin, auf den Bauch von Maria gemalt. Offensichtlich ist damit Marias Schoß gemeint.

Die Priesterinnen der ursprünglich orientalischen Muttergottheit Kybele, die bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte auch in Rom verehrt wurde, trugen Kopfbedeckungen in Form eines Fischkopfes. Der hohe, oben offene Zeremonial-Hut katholischer Bischhöfe entwickelte sich aus dieser uralten religiösen Tradition: die stilisierte Form eines Fischkopfes ist klar erkennbar. Die lang fallenden Zerimonialgewänder der katholischen Priester lassen ebenfalls erkennen, daß sie ursprünglich für Priesterinnen gedacht waren: sie entsprechen damaliger weiblicher Festkleidung.


Der Fisch als männliches Symbol des Lebens

Der Fisch war auch Symbol des männlichen Samens. In diesem Sinn war er Attribut uralter Fischgötter. Der Fischgott Oannes galt als der Weisheitslehrer der Sumerer und Akkader. Frühchristliche ägyptische Gemeinden setzten ihn einigen Quellen nach mit Johannes dem Täufer gleich. Überhaupt wird die im Christentum so wesentliche Wassertaufe als einer der Gründe genannt, weshalb der Fisch zum Symbol für Christus wurde. Die Bedeutung des Fisches änderte sich im Christentum vom Symbol des sich ewig erneuernden Lebens zum Symbol des ewigen Lebens jeder einzelnen Seele. Das frühe zyklische Weltbild der Menschen mit dem Glauben an eine Wiedergeburt im Diesseits wandelte sich zu einem linearen Weltbild mit dem Glauben an eine Auferstehung im Jenseits. Das griechische Wort für Fisch ist IChThYS. Es wurde so gedeutet, daß jeder Buchstabe für folgende Worte steht: Iesus Christos Theou Hyos Soter (Jesus Christus, Sohn Gottes, Heiland)

Das astrologische Zeitalter der "Fische" - die letzten zweitausend Jahre - das jetzt zu Ende geht, wurde und wird als das Christliche Zeitalter verstanden. C.G.Jung hat fast ein ganzes Buch dem Fisch als christlichem Symbol gewidmet. Er schreibt über dessen Ursprünge: "Die Rolle, die der Fisch in der jüdischen Tradition spielt, steht wohl in einigem Zusammenhang mit dem syro-phönikischen Fischkult der Atargatis. Bei ihren Tempeln befanden sich Teiche mit heiligen Fischen, die niemand berühren durfte... Das ambivalente Verhalten gegenüber dem Fisch spiegelt dessen Doppelnatur wider. Einerseits unrein und ein Zeichen des Hasses, ist er andererseits ein Objekt des religiösen Kultus. Er scheint sogar auch als Seelensymbol gegolten zu haben..." Der unreine Aspekt des Fisches in dieser patriarchalen Tradition dürfte darauf zurück zu führen sein, daß der Fisch zuvor im eigenen Kulturraum weibliches Göttlichkeitsattribut gewesen war, und in anderen benachbarten Kulturen dies auch blieb. Aphrodite wurde bezeichnet als der "Schoß voller Fische". Das Wasser ist die Mutter, die die Embryonen ernährt. Und: Das Wasser ist die Geliebte, die den Samen - den Fisch - enthält.


Der Fisch und die Sexualität

Die Vorstellung, daß Fische eine aphrodisierende Wirkung haben, ist weit verbreitet. Im Altertum war es im Mittelmeerraum Sitte, freitags bei Fischessen "Orgien" zu feiern. Aphrodite schenkte Lust und Fruchtbarkeit dazu. Das Wort für Freitag leitet sich in allen romanischen Sprachen vom Namen der römischen Liebesgöttin Venus ab. In allen germanischen Sprachen geht es auf den Namen der germanischen Liebesgöttin Freya zurück.

Die christliche Kirche konnte als körper- und lustfeindliche, patriarchal ausgeprägte Sittenwächterin solches Brauchtum nicht hinnehmen, denn ihre Machtbasis beruhte auf Askese und Sündigkeit. Das Verbot der Kirche, freitags Fleisch zu essen, da Christus an einem Freitag gestorben sei, und das Gebot, statt dessen nur Fisch zu verzehren, war eine Kapitulation vor dieser Sitte. Die Kirche mußte sich mit der Umdeutung dieses Brauches zufrieden geben, da es ihr nicht gelang, ihn auszurotten.

Fische und besonders Fischeier, wie der Kaviar, gelten noch heute als lust- und potenzsteigernde Nahrungsmittel.


Der Uranfang und die Nixen

Das Wort "Nixe" leitet sich ab von der Muttergöttin der Nacht, in Nordeuropa "Nott" genannt, in Griechenland "Nyx" und in Ägypten "Neith". Das "Nichts", umgangssprachlich "nix", meint das Chaos des Anfangs, als noch nichts erschaffen war. Alles Schwarze und Dunkle (lat. niger), wurde als Eigenschaft dieses "Nichts" des Vor-Anfangs betrachtet. Das lat. "necare", töten, ist auch von diese Wurzel abzuleiten. In diesem Wortsinn führt der Tod zum mütterlichen Dunkel des Uranfangs zurück.

Die Fisch-Feen, Meerjungfrauen oder Nixen sind die Töchter dieses uranfänglichen mütterlichen Nichts, aus dem nach altem Glauben alles entstand. Sie haben statt Beinen einen Fischschwanz. Dieser Fischschwanz macht deutlich, daß nicht nur die dunkle Nacht, sondern ebenso das Wasser als Schöpfungsenergie des nicht erklärbaren Vor-Anfangs empfunden wurde. Unerschöpfliche Schöpfungslust, alle Erotik wird in diesen Nixen idealisiert, geliebt und von Männern auch als sie überwältigend gefürchtet. Nixen becircen (wie Circe in der Odysee), sie bringen sie um den Verstand.

Lorely mit ihrem goldenen Haar, die auf dem nach ihr benannten Felsen am Rhein saß, war auch eine Nixe. Als ein junger Graf durch ihren Gesang und ihre Schönheit betört im Rhein untergegangen war, wollte sein Vater sie aus Rache im Rhein ertränken. Die Sage berichtet, dass sie in schauerlichem Ton sang: "Vater, Vater, geschwind, geschwind, die weißen Rosse schick deinem Kind, es will reiten mit Wogen und Wind!" Urplötzlich brauste der Strom daher. Der Rhein rauschte, dass weitum Ufer und Höhen mit weißer Gischt bedeckt waren. Zwei Wellen, die fast die Gestalt von zwei weißen Rossen hatten, stiegen mit Blitzesschnelle zur Kuppe des Felsens empor und trugen Loreley hinab in den Strom, wo sie verschwand.

In den Nixen leben die unwiderstehliche Schöpfungsfreude, die ewige Jugend, Verlockung, die erotische Kraft der Großen Mutter. So wundert es nicht, daß die Menschen sie sich als überirdisch schön dachten. Die Wassermänner können - wie in der Sage der Loreley oder als Meeresgott Poseidon - als ihr männlicher Aspekt, als Archetyp des Animus verstanden werden. Nixen und Wassermänner erzählen vom Wesen des Wassers.


Der Nixen Gesang im Patriarchat

In dem Märchen "Die kleine Meerjungfrau" von H. Ch. Andersen (1805 bis 1875) wird der Bedeutungswandel, den diese Fisch-Feen im Laufe der Jahrtausende durchmachten, überaus deutlich, der Inhalt:

Eine Meerjungfrau verliebt sich in einen Prinzen. Sie sehnt sich danach, durch seine Liebe Mensch zu werden und so eine unsterbliche Seele zu erlangen. Sie will nicht nach ihrem dreihundertjährigen Nixenleben als Meeresschaum spurenlos im Nichts vergehen. Eine alte, häßliche Wasserhexe verhilft ihr um den Preis ihrer Stimme dazu, ihren Fischschwanz in zwei Beine zu teilen. Sie erleidet dadurch große Schmerzen. Die Kunst ihres Tanzes hat sie behalten. Der Tanz keines anderen Wesens kann sich mit ihrem gleitenden, wassergeübten Tanz messen. Aber sie kann nicht sprechen. Und so gewinnt sie die Liebe des Prinzen trotz aller Mühen nicht. Sie muß bei dessen Hochzeit mit einer Prinzessin sterben und vergehen. In dem Augenblick, in dem sie sich zu Schaum auflöst, wird sie anderer Wesen gewahr. Durch ihre Liebe geschah ihr Transformation von einer Wasserfee zu einer Luftfee. Als Luftfee kann sie sich durch gute Taten über ihr dreihundertjähriges Leben hinweg selbst eine unsterbliche Seele erwerben, und sich so selbst erlösen. Findet sie "brave Kinder", so werden diese dreihundert Jahre, bis sie eine eigene Seele gewinnt, sogar verkürzt.

Dies ist ein jüngeres Kunstmärchen, es entstammt keinem uralten Weisheitsschatz, denn es ist zeitgemäß einseitig patriarchal konzipiert. In ihm wird die Natur, besonders das Wasserelement - symbolisiert durch die Meerjungfrau - als seelenlos vergänglich dargestellt, bar jeder Schöpfungskraft. Die Nixe wurde von der patriarchalen Gesellschaft (Wasserhexe) ihrer Stimme beraubt, um genau diese Gesellschaft vor der weiblichen, betörenden (= zum Tor machenden, den Verstand raubenden) Schöpfungsmelodie "zu schützen". Sie wurde zum sprichwörtlich stummem Fisch. Weiblichkeit, Erotik und Fruchtbarkeit wird in diesem Märchen, in dieser Zeit nicht mehr kreativ, sondern nur noch kreatürlich, als schöner Schaum (die Meerjungfrauen vergehen zu Schaum) "erlaubt", ohne Bestand und ohne Wert.

Eine Seele, das heißt Göttlichkeit, Ewigkeit und ein Selbst gebiert sozusagen nur die Liebe eines Mannes (der Prinz) - oder sie kann durch Gehorsam gegenüber seinen geistigen und geistlichen Prinzipien, gegenüber Gesetzen, Moral und Anpassungspflichten erworben werden (Chancen der Luftfeen durch gute Taten und "brave Kinder"). Damit wird aber nicht nur die Weiblichkeit ihrer Stimme, ihres Gesanges beraubt, damit wird gleichermaßen die männliche Welt darum beraubt, diese Schöpfungsmelodie hören zu können. Der Prinz erfährt das Wunder der Liebe nicht, weil er den Gesang der Seele, den betörenden Nixengesang nicht hört, nicht hören darf.

"Sie macht mein Herz singen" sagen Indianer über die Frau, die sie lieben. In ihrer naturverbunden gebliebenen Kultur wird die weibliche Schöpfungsmelodie, die im Herzen klingt, gehört. Wie Ch. Andersen mit diesem Märchen zum Ausdruck bringt, hatte sich bei uns dagegen das die Natur beherrschen wollende männliche Prinzip als allein "seligmachend" durchgesetzt - zum Schaden beider Geschlechter.


Fischmänner, Nöcke

Ein altes Wort für die Fisch- oder Wassermänner ist "Nöck". Es leitet sich gleichermaßen wie das Wort "Nixe" von Nacht und Nichts ab. Nöcke saßen auch gerne in Teichen und Flüssen; Jakob Grimm vermutet, daß der Meeresgott Neptun und der Fluß Neckar diesen Sprachgrund haben.

Die Nöcke oder Fischmänner verkörpern den männlichen Aspekt der Schöpfungsgewalt des Wassers und der Dunkelheit. Sie werden - wie die Nixen - als jung, schön, strahlend und gelockt dargestellt. Sie spielen auf goldenen Harfen und singen voller Zauberklang. Aber sie können auch wild werden, dann schaffen sie Sturm und schäumende See.

Ein Märchen von der Nordsee erzählt über die Furcht der Fischer, von einem Nöck in riesigen Netzen gefangen und am Meeresgrund für ewig festgehalten zu werden. Sie erleben in ihrer Angst das Schicksal, das sie ihrerseits - umgekehrt - den Fischen bringen. Das Märchen erzählt weiter, dass jede Nacht einen der Männer dies Unglück trifft. Ein einziger junger und starker Fischer aber läßt sich nicht schrecken. Er fährt freien Herzens aufs Meer hinaus. Am nächsten Tag kommt er mit einem Netz prall gefüllt von Fischen zurück. Der Nöck begleitet, ihm Fische zutreibend, seine Fahrt: "da du keine Angst vor mir und der tiefen See hast".

Man könnte dies Märchen so deuten, daß die erotische Sehnsucht der Großen Mutter in diesen schönen Fischmännern lebt. Sie spiegeln ihren eigenen männlicher Wesensteil, sind aber gleichzeitig auch ihre Söhne. Männer, die Respekt, aber nicht Angst vor dem Meer, der Magna Mater, und damit vor der Schöpfungsgewalt der Liebe haben, die bereit sind, die Macht der Liebe in sich selbst zu erfahren, werden mit Fruchtbarkeit und Reichtum belohnt.


Fische als Selbstopfer aus Liebe

Fische stehen nicht nur für den Fruchtbarkeitsaspekt des Wassers, sondern sie sind auch Nahrung. Besonders die Lachse wurden oft als eine Manifestation dieses sich verströmenden und alle ernährenden Elementes verehrt.

Lachse verbringen ihre Jugend in den Flüssen oder Seen ihrer Geburt. Als erwachsene Fische leben sie dann mehrere Jahre im Meer, solange, bis sie laichen können. Dazu müssen sie zu den Wasserläufen ihrer Geburt zurück kehren. Während dieser anstrengenden Wanderungen vom Meer flußaufwärts, gegen den Strom, fressen sie nichts mehr. Ihr Verdauungsapparat bildet sich zurück: sie können gar nicht mehr fressen. Ihr ganzer Organismus ist nur noch auf die Fortpflanzung eingestellt. Sobald sie gelaicht haben, sterben sie an Auszehrung. Man findet sie dann in Mengen an den Flußufern und im Wasser treibend.

Die toten Lachse bilden im Herbst das Hauptnahrungsangebot für alle Fleischfresser. Nur durch sie kann sich z.B. der Bär seinen Winterspeck anfressen. Für die Indianer der Nordwestküste ist der Lachs ein Symbol des Selbstopfers aus Liebe zu allen anderen Lebewesen.

Die gleiche Symbolbildung für ein solches Selbstopfer aus Liebe findet sich im Christentum: Christus wird oft durch das Bild eines Fisches dargestellt.


Schönheit, Güte und Respekt

Ein indianisches Märchen erzählt von der großen Bedeutung des Fisches als Nahrung, der Inhalt: Einst spottete ein Junge am Ufer des Flusses über die Häßlichkeit und Nacktheit der Fische. Er nannte sie räudige Geschöpfe, da sie so schuppig waren. Dies erzürnte den Großen Geist. Er zauberte den Jungen mitten in einen großen Fisch hinein. So mußte der Junge als Fisch mit dem Fischvolk leben. Als er nach langer Zeit die Schönheit und Güte der Fische und ihrer Welt verstanden hatte, da fingen seine Eltern den Großen Fisch, in dem er saß, und sie befreiten ihn. Von nun an lehrte der Junge sein Volk Respekt und Liebe zu den Fischen. Jeder sollte erfahren, was er erfahren hatte: die Fische sind nur bereit sich fangen zu lassen und die Menschen zu nähren, solange die Menschen sie achten.

Dies Märchen veranschaulicht die indianische Weltsicht sehr klar: Respekt vor der Erde und ihren Lebewesen ist die Grundlage allen Überlebens. Zudem stellt es Schönheit und Güte in einen inneren Zusammenhang: Güte entspringt der Liebe, und diese macht schön.

Der Respekt vor allem in der Natur ist vielen Menschen im Zuge ihrer immer weiterreichenden Beherrschung verloren gegangen. In der Frühzeit fühlten sie sich abhängig von den Naturkräften, ihnen sich vielleicht sogar hilflos ausgeliefert. Sie hatten Angst vor Dürre, Angst vor Wölfen und Angst vor der Finsternis. Die ganze menschliche Kulturgeschichte der Feuernutzung, Werkzeugentwicklung, Technik und Wissenschaft kann man als Versuch betrachten, die Gefahren und Unwägbarkeiten der Natur zu bannen. Doch das Pendel schlug inzwischen weit über den Punkt sinnvoller Naturbeeinflussung hinaus. Die Schwelle zur Naturzerstörung ist längst überschritten und beginnt die Menschen zu ängstigen. Der Fisch kann als Indikator für die Reinheit des Wassers betrachtet werden. Das Wasser wiederum ist Grundlage jeder Nahrung. Schwindende Fischbestände in Meeren und Flüssen lassen kommende Hungersnöte ahnen.

Dies Märchen ermahnt den Respekt vor unseren "natur-gegebenen" Lebenszusammenhängen wiederzusuchen, denn was zusammenhängt, hängt voneinander ab. Die Haltung der Indianer zur Erde als Mutter, dem Himmel als Vater und zu den Tieren als Geschwister ist für sehr viele Menschen der westlichen Kultur zum Vorbild geworden, das Überleben der Menschheit zu sichern.


Der Lachs als Spender von Weisheit und Kreativität

In der keltischen Tradition wird der Lachs als das älteste aller Tiere verehrt. Er lebt im Brunnen der Weisheit an der Quelle des Lebens - so lehren es die Druiden. Eine irische Sage erzählt von dem jungen Deimne, der zum Ufer des heiligen Flusses Boyne ging, um von seinen Wassern die Kunst der Poesie zu erlernen. Dort begegnete er dem alten Finneces, der schon sieben Jahre lang vergeblich im Fluß die Weisheit suchte. Ihm war prophezeit worden, er würde hier eines Tages den Lachs der Weisheit fangen, ihn kochen, essen und so zu allem Wissen gelangen. Nun fand er den Lachs wirklich. Er bat Deimne, ihn zuzubereiten und verbot ihm zugleich, davon zu essen. Während der Lachs im Kessel über dem Feuer kochte, spritzte Deimne ein Tropfen seines Saftes auf den Daumen und verbrannte ihn. Deimne leckte den Tropfen ab und hatte damit die Weisheit des Lachses empfangen. Finneces erkannte, daß nicht er selbst in der alten Prophezeiung gemeint war und nennt Deimne nun Fionn, das heißt der Helle.

In dieser Sage manifestieren sich Vision, Intuition und Lebensweisheit im Herzen des Wassers, nämlich in einem Lachs. Formbar zu Kunst, zu Poesie wird diese Weisheit für den Menschen aber nur, wenn er das Wasser, bildlich gesagt, zunächst mit dem Feuer vermählt. (Indem er den Lachs über dem Feuer kocht.) In der Alchemie ist die Vermählung von Feuer und Wasser der Prozess der Wandlung schlechthin, sie ist das Symbol der Verbindung der Gegensätze auf einer höheren Ebene. Diese Aufgabe kann man nicht delegieren wie Finneces es macht, man muß sie selbst erledigen und sich daran sozusagen die Finger, so wie Deimne, verbrennen. Sie bedeutet einen inneren Prozess der Umformung, der Transformation von Gefühlen zu geistigen Gestalten.

Der Lachs ist Nahrung für den Körper, und er symbolisiert hier geistige Nahrung für den Schaffensdurstigen.


Kind des Wassers, Fest des Lebens

Als Kind hatte ich einen häufig wiederkehrenden Traum: Ich war tief in einem klarem, lichtdurchflutetem Wasser, vor mir ein wundervolles Schloss wie im Märchenbuch. Wasserpfanzen und bunte Fische umschwebten das Schloss und mich. Ich sah mir alles genau an und staunte über die Schönheit. Als ich wach wurde, wunderte ich mich immer, dass ich dort Luft bekam, dass ich überhaupt nicht über das Atmen hatte nachdenken müssen. Ich liebte diesen Traum.

Ein ähnlich beglückender Traum, ich träumte ihn Jahrzehnte später, mehrere Monate nach dem Tod meiner Mutter: Wir drei Schwestern und unsere Mutter deckten einen Tisch für ein wunderbares Fest. Wir alle vier waren ungefähr gleich jung, vielleicht dreißig Jahre. Wir fühlten uns sehr glücklich und freuten uns auf das Fest. Als Festdekoration hängten wir in Girlanden bunte Fische, auch Goldfische, über den Tischen auf. Es war irgendwie, als würden wir gleichzeitig im Wasser feiern: ein Gefühl von tiefem klarem Blau umgab uns. Wir vier waren uns so nah und vertraut; wir waren eine glückliche, uns liebende Einheit. Die Fische über den Tischen, sie sahen aus wie fliegende Fische, sie verzauberten alles in lebendigste Freude....

Ich erzählte den Traum meinen Schwestern: "Die Fische machten den Glanz der Tafel aus. Ein Fest aus der Freude und der Fülle heraus wurde von uns vorbereitet - ein Fest wie aus dem Füllhorn Fortunas erträumt. Die Fische schwebten wie unser Glück und sie schillerten wie unsere Jugend. Sie versinnbildlichten alles, was dieses Fest des Lebens schenken würde."

Ich erinnerte mich an das Lieblingszitat unserer Mutter (Goethe; Schlußvers des "Faust"), ich verstand es nach diesem Traum auf ganz neue und besondere Weise: "Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis; Das Unzulängliche, Hier wird´s Ereignis; Das Unbeschreibliche, Hier ist´s getan; Das Ewig-Weibliche Zieht und hinan."


Der Fisch und die Kräfte der Tiefe

Ein Märchen der Gebr. Grimm, der Inhalt: Ein Fischer und seine Frau lebten, weil sie so arm waren, in einem Pisspott. Eines Tages fing der Fischer einen riesigen Butt. Der Butt sprach zu ihm und bat, ihn wieder frei zu lassen, denn er sei kein richtiger Butt, sondern ein Prinz. Der Fischer befreite ihn vom Angelhaken. Einen sprechenden Fisch könne er nicht essen, antwortete er und gab ihm die Freiheit.

Abends erzählte er seiner Frau dies Erlebnis. Diese fragte nur, warum er sich von diesem Zauberbutt nichts gewünscht habe. Sie schickte ihn zurück an die See, er solle eine feine saubere Hütte verlangen. Dem Mann war das nicht so recht, aber er gehorchte seiner Frau. Er rief den Butt: "Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje, Buttje in de See! Mine Fru de Ilsebill, will nicht so, as ick woll will"

Der Butt tauchte auf und fragte, was sie denn wolle. Eine Hütte, antwortete der Fischer. "Ga man hen, se is all daar in.", sagte der Butt. Der Fischer ging zurück und fand seine Frau in einer wunderschönen sauberen Hütte sitzend. Die Ilsebill aber wollte mehr. Sie schickte ihren Mann los, ein Schloß zu fordern. Die See war dunkel, aber noch ruhig. Der Butt tauchte auf als der Fischer "Mandje! Mandje! Timpe Te!" rief. Und er gab der Frau das Schloß. Die Ilsebill aber wollte wieder mehr. Sie wollte König sein. Als sie König war, wollte sie Kaiser sein. Als sie Kaiser war, wollte sie Papst sein. Die See wurde bei jedem Wunsch, den der Fischer aussprach, wilder und gefährlicher. Der Fischer hatte große Angst, aber die Angst vor seiner Frau war die allergrößte.

Als Ilsebill Papst war, wollte sie Gott sein. Der Fischer zitterte, die See tobte und der Himmel blitzte. Er rief den Butt und überbrachte ihm auch diesen Wunsch seiner Frau. "Ga man hen, se sitt all wedder in'n Pispott." (Und wenn sie nicht gestorben sind,...)

Man kann Ilsebill, Fischer und Butt aus heutiger, aktueller Problematik heraus als Symbol auffassen für Gewinndenken und Naturausbeutung vieler Industrien, bis hin zur Fischereiwirtschaft, die dabei ist, die Meere leerzufischen - und am Ende selbst leer dasteht.

Das Märchen beschreibt aber auch einen seelischen Prozess. Betrachtet man Ilsebill, den Fischer und den Butt als miteinander agierende innere Gestalten, als archetypische Kräfte in einem Menschen, dann ist der am Meeresgrund lebende Butt die ins Unbewußte abgeglittene Anima, die Seele. Ilsebill verkörpert mit ihrer Gier und Machtsucht den Schatten, die ungeliebten, häßlichen Anteile einer Persönlichkeit. Der Fischer steht für Gewissen und Vernunft, für den Archetyp des Animus, der aber nur schwach entwickelt ist (gehorcht Ilsebill). Der Butt beherrscht das Geschehen. Er symbolisiert die Kraft oder auch die Magie, die aus dem tiefen Meeresgrund/Seelengrund aufsteigt und unsere Wünsche Wirklichkeit werden läßt, solange wir nicht "Gott werden wollen", das heißt den Respekt vor dem nicht verlieren, was jenseits unseres Horizontes liegt.


Das Geheimnis des Glücks

Eine Sage aus dem Paderborner Land, überliefert von Therese Pöhler; der Inhalt: Lisa war ein sehr armes junges Mädchen. Sie zog als Viehmagd auf den Bauernhof an den Lippewiesen, den ihre Vorfahren durch Streit- und Prozesslust verloren hatten. Sie trug dort die Sorge für Kälbchen, Sauen und Ferkel. Manche mögen denken, dies war kein schönes Leben, aber Lisa liebte es. "Alle Blumen blühten ihr, alle Vögel sangen ihr,... Die Kälbchen wischten voll Freundschaft den Silberschleim ihrer Rosamuffelmäulchen an ihrer rauhen Blauschürze ab."

An einem ruhigen Sonntagmittag, alle hatten schon den Hof für die unterschiedlichsten Vergnügungen verlassen, ging sie ans Lippeufer, legte sich in die Wiesen und schlief dort ein. Als sie erwachte, da sah sie einen uralten silberhaarigen Mann am Ufer sitzen und angeln. Sie schaute in sein klares Gesicht und bemerkte, daß er einäugig war. Dies eine Auge aber strahlte wie der lichte Himmel. Da verlor er seinen breitrandigen Hut im Wind, und Lisa lief hinterher ins Wasser, um ihn herauszuholen. Der uralte Mann bedankte sich und gab ihr eine schimmernde Forelle. Die solle sie gleich zubereiten und mit dem verspeisen, der zu ihr käme. Dieser Fisch wäre ihr Glück.

Lisa ging in die Küche und als sie die Forelle zubereiten wollte, entdeckte sie in deren Bauch einen feinen Silberring. Sie freute sich sehr darüber, zog ihn an und briet dann den Fisch. Von diesem wunderbar verlockenden Duft angezogen kam der Jungbauer zu Lisa in die Küche und bat, den Fisch mit ihr teilen zu dürfen. Sie stimmte freudig zu. Da sah er den Ring an ihrer Hand. Sie erzählte ihm alles und er versprach darüber zu schweigen.

Seit sie nun diesen Ring trug, gelang Lisa im Haus, im Stall, einfach überall alles. Sie wurde bald nur noch die "Jungfer Glückshand" genannt. Legte sie jemandem die Hand auf, so heilte sie ihn damit sogar von Kopfschmerzen oder Koliken. Der Jungbauer begann sie zu lieben und wollte sie heiraten. Bäuerin und Bauer schätzten sie ob ihrer Glückshand und stimmten zu, obwohl sie arm war. So brachte Lisa ihrem Mann, seinen Eltern und dem ganzen Hof ein neues reiches Glück. (Und wenn sie nicht gestorben sind,...)

Der uralte, einäugige Mann in dieser Sage ist unschwer als Odin zu erkennen. Er ist der Gott der Natur, der Wildnis, des Windes und der Träume. Und Lisa hat eine ganz besondere Liebe zur Natur, sie ist glücklich mit ihren Tieren und den Blumen und Vögeln am Fluß. Sie sieht tatsächlich das Göttliche in der Natur. Die Sage personifiziert dies Göttliche zu Odin. Sein Geschenk (der Fisch), das Geschenk der Natur an Lisa ist ihre eigene Natur, es ist ihr Wesen. Der Fisch symbolisiert hier die tiefen seelischen Strömungen in einem Menschen.

Das Essen des Fisches drückt die "Einverleibung" seines Symbolwertes in die Persönlichkeit des Essenden aus. So wie der Glücks-Ring allen Gelingens im Fisch versteckt ist, so ist das Glücks-Gefühl des Daseins in Lisas Psyche versteckt. Das eine entspricht dem anderen, das eine bedingt das andere. Die Sage erzählt, daß Lebensglück nie von außen kommt, sondern nur inneres Glück spiegelt.


Suchen und sehen
Eine alte Frau erzählt ein Gleichnis:

"Entschuldige", sagt ein Ozeanfisch, "du bist älter als ich, so kannst du mir vielleicht sagen, wo ich das Ding finde, das alle den Ozean nennen?" "Der Ozean", sagte der ältere Fisch, "ist das Ding, in dem du dich jetzt befindest." "Oh, dies? Aber dies ist Wasser. Was ich suche ist der Ozean", sagte der enttäuschte Fisch und schwamm weiter, um woanders zu suchen. Hör auf zu suchen, kleiner Fisch, es gibt nichts, nachdem du dich umsehen könntest. Alles was du tun mußt, ist sehen. (A.Mellon)

Sie meint dazu: Ihr müßt nicht den Garten Eden suchen - denn ihr lebt in ihm. Ihr müßt nicht eure Seele suchen - denn ihr seid sie. Ihr müßt nicht den Fisch und nicht den Großen Vater fragen - denn ihr könnt sehen.


"Das Fischvolk und der Junge" von Maggie M. Roe

Ruhiges klares Wasser, lichtdurchflutet. Flußsand und Geröll sind sein Grund und Luftblasen beatmen es. Dieses Wasser bedeutet Leben. Die undurchdringliche Schwärze der Untiefen liegt hinter ihm.

Die Bewegung des Wassers, seine Welle, ist ein großer Fisch. Es ist ein Lachs. Alle Macht und alle Kraft des Wassers hat sich in der schimmernden Schönheit dieses Fisches gesammelt. Er ist der ewige Fisch, er ist der Fisch im Fisch im Fisch... In seinem Innersten sehen wir einen Jungen, auch er erhält mit dem Fisch das Leben, immer wieder immer wieder, Welle auf Welle. Solange es klares Wasser gibt.


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Stus Blog

Cornelia Savory-Deermann Cornelia Savory-Deermann

Cornelia
Savory-Deermann
, geboren 1945 in Wuppertal, hat seit 1971 Englische Bulldoggen. Seit Mai 2005 haben die Bulldogs hier ihr eigenes deutsches Weblog bekommen:

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Die Buchkapitel:

Inhalt

Einleitung

Tiere als Spiegel der Seele

Tiere als Sinnbild der Kultur

Bilder von Maggie M. Roe

1. Adler
2. Bär, Bärin
3. Biber
4. Biene
5. Delphin
6. Esel
7. Eule
8. Falke
9. Fisch
10. Fledermaus
11. Frosch, Kröte
12. Fuchs
13. Gans
14. Hase
15. Hirsch
16. Huhn, Hahn
17. Hund
18. Katze, Kater
19. Krebs
20. Kuh, Stier
21. Maus
22. Möwe
23. Mücke
24. Muschel
25. Otter
26. Pferd
27. Rabe
28. Ratte
29. Reh
30. Schaf, Widder
31. Schildkröte
32. Schlange
33. Schmetterling
34. Schwan
35. Schwein, Eber
36. Seehund
37. Spinne
38. Storch
39. Taube
40. Wal
41. Wolf
42. Ziege, Z-Bock

Literatur-Verzeichnis




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