Tiere als Spiegel der Seele und Sinnbild der Kultur
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Fuchs


Zum Symbol, zum Sinnbild gewordene Eigenschaften

  • Das Fell des Fuchses ist rot und sein Schwanz sehr auffallend groß und buschig - fast wie ein Feuer. Diese Eigenheit ließ ihn zum Seelenverwandten aller "fussigen" Menschen, zum Feuerdämon und auch zum Symbol männlicher Triebstärke und großer Potenz werden.
  • Er ist von überlegener Klugheit und großem Einfallsreichtum. Er kann die Jäger durch viele Listen täuschen, sie hervorragend hinters Licht führen und ihnen so entkommen. Deshalb wurde er in allen Kulturen der Schlaue, der Listige und gelegentlich auch der Hinterlistige genannt.
  • Sein Überlebenstalent ließen ihn zum Wunsch- und Sinnbild von Hilfsbereitschaft und Freundschaft werden. Sein Witz und Erfindungsreichtum machten ihn zum Schöpferschamanen, zum Trickster, der das Überleben der Schwächeren unterstützt. Er wurde zur Schlüsselfigur im Spannungsfeld von Macht und Ohnmacht, von Bewußtheit und Instinkt.


Der Fuchs als verkörperter Feuer- und Wettergeist

Das leuchtend feuerrote Fellkleid des Fuchses ließ ihn für die frühen Menschen zum Urheber vieler natürlicher Feuer- und Wettererscheinungen werden. Ein paar Beispiele dazu:

Wenn der Fuchs vom Regen duchnäßt wird, dann muß er als Feuerwesen natürlich das Wasser verdampfen lassen. Die aufsteigenden Nebel nach Regen und große Nebelbänke wurden in Norddeutschland deshalb das "Vossbad" genannt. Das englische Wort für Nebel, "fog", hat den gleichen Wortkern wie "fox", Fuchs: die Erdwärme, die Wasser als Nebel aufsteigen läßt, konnte man sich in diesen frühen Zeiten nur mythisch erklären.

Die Finnen nennen das Nordlicht "Feuer des Fuchses". Im Kaukasus schützt ein Fuchsschwanz vor Blitzeinschlag und in Schlesien sagt man bei einem Gewitter, der Fuchs braue sein Bier. Einige amerikanische Völker erklärten sich Erdbeben und Vulkane als ein Fuchsfeuer in dessen Erdbau. Und sehr poetisch heißt es auf Korsika, wenn bei Regen die Sonne scheint und ein Regenbogen sich zeigt: "Le renard fait l´amour." (Der Fuchs macht Liebe.)


Licht, Feuer, Leidenschaft

Feuer hat viele Aspekte, auch die von Licht, Irrlicht und Gefahr. Vielfach wurden dämonische Nachtgeister wie Fackeljungfrauen, Zauberer, wilde Jäger und Trolle für Fuchsbegleiter gehalten. Sie sollten die Opfer ins Verderben locken, indem sie ihnen Licht oder sonst etwas vorgaukelten.

Feuer wurde und wird immer auch mit Leidenschaft assoziiert. Es liegt nahe, dass der Fuchs als Feuergeist zum Symbol erotischer Verführung und Triebstärke wurde. In vorchristlichen, märchenschaffenden Zeiten wurde er deswegen bewundert, im Mittelalter dann erschient er unter diesem Aspekt als Sinnbild des Teufels. Sein langer Schwanz (als Phallussymbol) galt als des Teufels Schmuck und als der "Hund mit dem langem Schwanz" begleitete er böse Frauen. Da Erotik die Kraft hat kirchenmoralische Gebote im Fieber der Leidenschaft zu "verbrennen", mußte der Fuchs als deren Symbolträger folgerichtig von der Kirche ins Höllenfeuer gejagt werden.

Menschen mit roten Haaren werden umgangssprachlich "fussig", (fuchsig) genannt. Man glaubte in frühen Zeiten, sie seien dem Fuchs seelenverwandt. Besonders bei rothaarigen Frauen wurde seit eh und je der erotische Aspekt des Fuchsartigseins betont. Dies pervertierte im späten Mittelalter zu großer Frauenfeindlichkeit, die in der Verfolgung und Verbrennung rothaariger Frauen als Hexen gipfelte. Rothaarige Männer galten im Zuge dieser Negativierung des Fuchses eher als verschlagen und listig.

Heute wird Rothaarigkeit wieder positiv wahrgenommen. In US-Fernsehserien treten überproportional oft falsche oder echte Rothaarige als verführerische Heldinnen auf. Da ich gerne Krimis gucke, fiel dies mir irgendwann einmal auf, und meine dann bewußte Beachtung der Haarfarben bestätigte mir meinen Eindruck. Rot als die Farbe von Feuer und Blut erleben wir instinktiv als die Farbe hochaktiver Energie. Feuer ist aber auch unbeständig, schnellebig. So steht es ebenso als Symbol für Unberechenbarkeit - rothaariges Temperament eben.


Überlebensprinzip List und Klugheit

Orts- und Familiennamen mit der Silbe "voss, vos" sind weit verbreitet, so wie der Fuchs weit verbreitet ist. List und Klugheit sind es auch.

Wenn der Fuchs von Hunden verfolgt wird, gibt es fast keinen Trick, den er nicht beherrscht, um seine Spur zu verwischen. Die Indianer Gary Buffalo Horn Man und Sherry Firedancer schreiben über den Fuchs: "Er nutzt schmale Mauern und Felsgrate als Weg; er schwimmt diagonal und nicht gerade durch Flüsse; er verwischt seine Spur durch Schleifenlaufen; er läuft über Eis, das gerade noch ihn, aber keinen Hund mehr tragen kann; er springt auf den Rücken von Schafen und läßt sich von ihnen forttragen. Als Jäger ist er gleichermaßen erfinderisch. Um seine Flöhe loszuwerden nimmt er ein Stöckchen ins Maul, hält es über seinen Rücken und läßt sich ganz, ganz langsam ins Wasser sinken. Ließe er sich schnell sinken, dann würden die Flöhe zwar unter dem Wasser leiden, aber sich erst recht an ihm festkrallen. Durch das langsame Sinken gibt er ihnen die Chance, sich auf das Stöckchen zu retten. Ist er dann ganz unter Wasser und die Flöhe alle auf dem Stöckchen, dann läßt er es los und springt an Land."

Der Fuchs wurde als Überträger der Tollwut in den letzten Jahrzehnten geschossen, vergast, vergiftet. Aber er überlebte. Er überlebte einzig durch sein Vermögen, alles um sich herum klug und kreativ zu seinem Überleben nutzen zu können. Die Redensart "Das fuchst mich" zeigt den Ärger, den er dadurch den Jägern bereitete. Die Unmöglichkeit, ihn auszurotten, ließ die Behörden schließlich resignierend dazu übergehen, ihn durch Köder gegen die Tollwut zu impfen und ihn leben zu lassen.


Helfer der Tiere

In den Märchen vieler Völker erscheint der Fuchs als Helfer anderer Tiere, die weniger klug und pfiffig sind als er. Er schmiedet die Pläne und übernimmt deren Durchführung zu ihrer Rettung vor den sie verfolgenden Menschen. Er verkörpert den lebensfreundlichen, kooperativen Aspekt in der Natur. Den selbstsüchtigen Schattenaspekt vertritt der Mensch.

Ein Märchen der Gebr. Grimm, der Inhalt: Ein altes Pferd wird von seinem Herrn in den Wald gejagt, um dort zu sterben. Er will kein Futter mehr für es aufwenden, da es nicht mehr arbeiten kann. Nur wenn es stark genug wäre, ihm einen Löwen anzuschleppen, dann wolle er es weiter halten. Das Pferd ergibt sich traurig in sein Schicksal.

Da begegnet ihm ein Fuchs, dem es alles erzählt. Der Fuchs tröstet es. Es solle nur warten, er wisse schon Rat. Dann läuft er zu einem Löwen und lockt ihn ihm zu folgen, er wisse einen wunderbaren Leckerbissen für ihn, ein ganzes Pferd. Der gierige Löwe folgt dem Fuchs. Als sie bei dem Pferd ankommen will er es gleich packen, aber der Fuchs meint, es wäre doch viel angenehmer, das Pferd ganz gemütlich und in Ruhe erst in seiner Höhle zu verspeisen. Er wolle ihm helfen es dorthin zu schaffen. Der Löwe läßt sich in seiner Genüßlichkeit dazu überreden. Und schnell bindet der Fuchs mit den Schwanzhaaren des Pferdes dem Löwen seine Beine so fest, daß er sie nicht mehr bewegen kann. Jetzt schleppt das Pferd den Löwen zu seinem Herrn. Der hält sein Versprechen und füttert das Pferd weiter bis zum Ende seiner Tage.

Auf seelischer Ebene symbolisiert das alte Pferd in diesem Märchen verlorene Vitalität, Resignation und auch Pflichterfüllung. Der Löwe steht für Kraft und Naivität, für Jugend damit auch. Der Fuchs aber zeigt, wie mit Verstand, Phantasie und "Menschenkenntnis" immer noch eine Lösung gefunden werden kann. Klugheit und List bedeutet Überleben, viel mehr als Kraft, und sei es die eines Löwen.


Der Trickster

In den alten Kulturen gab es neben den Göttern mit ihren jeweiligen "Verantwortungsbereichen" auch immer eine zwielichtige, unberechenbare Gestalt, den Trickster: oft ist er ein Fuchs oder ein mystisches Wesen in Fuchsbegleitung. In Märchen und Sagen hilft er den Schwächeren gegen die Stärkeren, und das jenseits ethischer Kategorien.

Die archetypische Gestalt des Trickster wird von C.G. Jung als Schattenaspekt verstanden, weil er immer auch lügt und trügt. Dass er dies aber als Überlebens- und Lebenshelfer oft tun muß, läßt ihn ebenso als Aspekt des Archetypen des Alten Weisen verstehen, worauf spätere Autoren auch hinweisen.

Seine Rolle ist zwiespältig, er erfüllt die Funktion des Gegenspielers der Macht. Als Prometheus stiehlt er den mächtigen Göttern das Feuer. Damit wird er zum Kulturschöpfer, einem Aspekt des "Alten Weisen". Im jüdisch/christlichen Weltbild ist er dagegen Luzifer, der Lichtträger, der sich als Gegenspieler Gottes versteht und am Ende vom Himmel gestürzt wird. Er fällt ins Dunkel. In dieser Rolle wurde er zur Inkarnation des christlichen Teufels, des archetypischen Schatten Gottes.

Als Archetyp unterscheidet der Trickster nicht zwischen "Gut und Böse" im ethischen Sinn, er unterscheidet und handelt im Spannungsfeld von "Macht und Ohnmacht" zugunsten des Lebens. Leben hieß und heißt auch immer Überleben, in diesem Sinn sind alle Geschehnisse, Situationen und Taten schlicht lebensfördernd oder lebensschädigend. Grundherausforderung ist, mit Ereignissen und Umständen zuerst einmal in diesem kreatürlichem Sinne klarzukommen. Dazu gehört Helfen, Täuschen, Stehlen und Trixen, so wie der Fuchs es vorbildlich beherrscht.

Über die kreatürlichen Lebensbedürfnisse hinaus agiert der Trickster auch zugunsten kultureller und seelischer Befreiungsprozesse von in den Schatten geratenen Teilen einer Gesellschaft oder einer Persönlichkeit. Im I Ging wird Stagnation als das Gegenteil von Frieden verstanden. Stagnation als Eingemauert-, Gefesseltsein verhindert natürliche Entwicklungen und führt deshalb früher oder später zu Gewalt und Krieg, eben zu Unfrieden. Der Trickster ist ein Bild genau dieser Kraft, die Gefesseltes befreit und Vernachlässigtem hilft - gleichgültig ob es Licht oder Schatten ist. Er öffnet die Tür für Neujustierungen von "Macht und Ohnmacht". Und das immer wieder.

Im germanischen Götterhimmel war der Fuchs Symboltier des trickreichen Gottes Loki, dessen Name sich (wie Lucifer) von "Licht, Lux" ableitet. Mit dem Beginn von Ragnarök, der Götterdämmerung, kann Loki sich aus seinen Fesseln befreien, in welche die Götter ihn seiner Untaten, seines Ungehorsams wegen gelegt hatten, und er kämpft im Verbund mit den erdhaften Riesen gegen diese Götter, geht dabei aber auch selbst unter. Als der Trickster wird er zum Zerstörer der alten Ordnung und zum "Geburtshelfer" der neuen. Kulturell betrachtet taucht ein Trickster vorzugsweise dann im Geschehen, in der Geschichte auf, wenn Änderungen, Umbrüche nach Phasen der Stagnation vor der Tür stehen oder angesagt sind.

Während ich den letzten Absatz schreibe (2018) wird mir klar, warum Donald Trump als "Fake"-Präsident der USA bei einem großen Teil der Bevölkerung Verehrung, ja Liebe genießt: er ist der amoralische Trickster, der lügt und trügt, aber genau damit in archetypischem Verständnis zum Überlebens- und Lebenshelfer, zum Hoffnungsträger "Gegen-die-Macht" geworden ist. Amüsant ist in diesem Zusammenhang, dass Trump sich seine Haare rot färbt. Rot wie der Fuchs als Symboltier des Tricksters und rot wie die Feuer, die er entzündet.

Als der grundsätzlich immer Schwächere erlebt sich der Mensch gegenüber den Unwägbarkeiten der Natur und des Schicksals. Hier hilft ihm der Trickster als der "Joker" im Leben. Auch der Narr der Tarotkarten hat Ähnlichkeit mit ihm, denn er verkörpert unter Anderem die Leere, aus der heraus alles möglich ist. Der Narr in seiner Erscheinung als Clown ist der Trickster mit seinem besten Helfertrick: dem Humor.

In den indianischen Trickstermärchen kommt dem Humor eine besondere Bedeutung zu. Hier übernimmt der Kojote die Rolle des Trickster-Schöpferschamanen. Auch er ist wie der Fuchs ein Kanide. Trixter-Kojote ist nicht allmächtig, er ist kein Gott, er ist jemand, der mit Geist und Witz Lösungen findet. In diesen Märchen wird über ihn reichlich gelacht, wenn ihm immer wieder einmal "menschliche" Mißgeschicke passieren. Humor und Selbstironie haben hier die wunderbare Funktion zu entspannen, sich die Freude, ja auch die Schadenfreude am allzu Menschlichem zu bewahren.


Der Fuchs als Alter Ego

In einer Reihe sehr alter europäischer Märchen verkörpert der Fuchs den Trickster, den helfenden Urschamanen, der immer auch ein Heiler ist. Nimmt der Prinz im Märchen ihn als Freund an, so wird der Fuchs zu seinem "Alter Ego" als die psychische, die machende (d.h. die magische) Kraft im Prinzen selbst. Meist ruft er noch andere Tiere als Helfer herbei, die ihm alle gehorchen. Er symbolisiert den Schamanen im Menschen, der Ziel, Wille und Verwirklichung beherrscht. Alle seelischen Kräfte - denn es gibt keine, die nicht durch irgendein Tier verkörpert würde - können durch ihn aktiviert und abgerufen werden.

Im episch langem Märchen "Der treue Fuchs", das 1787 von Wilhelm Christoph Günther veröffentlicht wurde, wird die innerseelische Funktion der Fuchses als "Alter Ego", als das weisere Ich, besonders deutlich. Der Inhalt:

Held ist der etwas dümmliche, aber sanftmütige dritte Sohn eines krank darnieder liegenden guten Königs. Der braucht zu seiner Heilung den Gesang des Vogels Phönix. Seine drei Söhne machen sich nacheinander auf die Suche. Die beiden älteren Söhne versagen gleich zu Beginn, weil sie den sie grüßenden Fuchs am Wegesrand mißachten und beschießen. Sie fallen unter die Räuber und werden selbst welche. Der Dritte Sohn redet mit dem Fuchs und gibt ihm zu essen. Der Fuchs verspricht ihm dafür sein Freund zu sein, ihn nicht zu verlassen, ihm immer zu helfen und ihm eines Tages seine Geschichte zu erzählen.

Übersetzt heißt das, dem Selbst (Vater-König) dieses Menschen mangelt es (ist krank) an Erneuerungskraft (Vogel Phönix), da sein Archetypischer Animus (seine drei Söhne) selbstsüchtig (die beiden älteren) oder noch unreif (dritter Sohn) sind. Aber der Dritte ist nicht völlig in sein Ego verstrickt (gibt dem Fuchs zu essen), er kann die schöpferische Kraft, das Wandlungs- und Entwicklungspotential (Trickster Fuchs) als Teil seines Selbst, als sein "Alter Ego" annehmen. Im ersten und zweiten Abenteuer des Dritten geht es nun darum, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden und sich für das Sein zu entscheiden:

Weiter der Inhalt: Der König der ersten Stadt, zu der der Dritte vom Fuchs im Laufflug gebracht wird, hat den Vogel Phönix in einem eisernen Käfig sitzen. Daneben steht ein leerer göldener Käfig. Fuchs ermahnt den Dritten, er müsse den Vogel Phönix in seinem schlichten Käfig mitnehmen. Aber der Dritte verfällt dem Glanz des goldenen Käfigs und setzt den Vogel Phönix in diesen, um beides mitzunehmen. Vogel Phönix schreit, der Diebstahl fliegt auf, der Dritte wird zum Tode verurteilt. Der Fuchs hilft ihm mit dem Rat dem Tode zu entkommen, er solle offen mit dem Gastgeber-König über seine Situation und seinen kranken Vater-König sprechen, um so dessen Mitgefühl zu erlangen. Der Dritte folgt dem Rat, der Gastgeber-König schenkt ihm sein Leben und den Vogel Phönix dazu, wenn er ihm dafür das Bunte Pferdchen bringen würde. Fuchs bringt den Dritten im Laufflug zur Stadt des nächsten Königs, der das Bunte Pferdchen hat. Das Abenteuer verläuft in gleicher Weise wie das erste ab, diesmal verfällt der Dritte dem Glanz des goldenen Sattels. Das Pferdchen verrät den Diebstahl durch lautes Wiehern, der Dritte wird zum Tode verurteilt und entgeht diesem Schicksal wieder durch seine Offenheit dem Gastgeber-König gegenüber. Zudem erhält er das Bunte Pferdchen als Geschenk, wenn er diesem die schöne Drachenmaid bringen würde.

Übersetzt man diesen Teil des Märchens in einen innerseelischen Prozess, so lernt der dümmliche Dritte (schwacher Animus) durch bittere Erfahrung auf schönen Schein (goldener Käfig, goldener Sattel) zu verzichten, und durch Offenlegung seiner Schattenaspekte (Gier nach Gold) sich selbst gegenüber (gegenüber den zwei Gastgeber-Königen) in seinem Wunsch weiterzukommen, dem Vater (Höheres Gesamtselbst) zur Heilung zu verhelfen. Als Medizin hat er nun Erneuerungskraft (Vogel Phönix) und männliche Vitalität (Buntes Pferdchen) gewonnen, kann sie aber erst einsetzten, wenn er seine Anima (Drachenmaid) in sich befreit hat. Diesmal geht es darum zwischen Leidenschaft und Liebe unterscheiden zu lernen, und sich für die Liebe zu entscheiden:

Weiter der Inhalt: Der Fuchs bringt den Dritten im Laufflug auf seinem Rücken, von seinem Schwanz umwunden, zur Drachenhöhle, in welcher die Drachenmaid gefangen gehalten wird. Der Dritte befolgt diesmal den Rat des Fuchses : er behält die Zeit, die eine Stunde im Auge, in welcher der Drache und die Drachenwächter versteinert schlafen und in der deshalb nur die Befreiung möglich ist. Er und sie geben sich nicht ihrer Leidenschaft hin, denn um mit seiner Liebsten fliehen zu können, muß der Dritte in dieser Stunde dem versteinert schlafendem Drachen stattdessen den Kopf mit einem Eisenschwert abschlagen. Die Kraft dazu gibt ihm seine Drachenmaid durch eine Salbe, mit der sie seine Arme einreibt. Die Flucht gelingt, Fuchs trägt beide auf seinem Rücken fort, baut mit seinem Schwanz ein Bollwerk um die sie verfolgenden Drachenwächter aufzuhalten und steckt dann den Wald in Brand, um diese endgültig abzuschütteln. Dann verrät der Fuchs dem Dritten noch alle Tricks, wie er den Vogel Phönix, das Bunte Pferdchen und die Drachenmaid den Gastgeber-Königen vorenthalten und selbst behalten kann. Der Dritte befolgt diesmal alles, und so behält er alle drei.

Übersetzt man dieses Abenteuer wiederum in einen innerseelischen Prozess, so erkennt man, dass die früheren Erfahrungen (Schein nicht als Sein zu werten) nötig waren, um jetzt der Liebe (Sein) Vorrang vor der Leidenschaft (Schein der Liebe) geben zu können (er achtet auf die kurze Zeitspanne zur Befreiung). Drachen symbolisieren die animalischen, triebhaften Anteile einer Person. Diese müssen in der Liebe beherrscht werden (dem Drachen den Kopf abschlagen). Die Kraft dazu gibt die Anima, die Seele (Drachenmaid mit ihrer Salbe). Als "Drachenmaid" hat die Anima auch gewaltige Kräfte - aber anderer Art. Die Drachenmaid bekam diesen Namen, weil sie gerne jagte, also das "Wild(e)" tötete. Sie steht hier für die das Animalische zähmende Kultur und läßt an den mittelalterlichen Minnedienst denken. Einen sexuellen, einen Potenzaspekt verkörpert hier der Fuchsschwanz (Bollwerke bauen und Brand entfachen). Durch die Befreiung, durch die innere Begegnung des Ichs mit seiner Anima als Weiblichkeit, als Seele wächst der Animus, die innere Männlichkeit, zu ihrer voller Kraft heran. Und sie bleibt ihm erhalten (behält den Vogel Phönix, das Bunte Pferdchen, die Drachenmaid). Aber bevor er sie heiraten kann, gibt es noch eine dritte Lexion zu lernen. Im nächsten Abenteuer muß er zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden lernen, und sich für die Wahrheit entscheiden:

Weiter der Inhalt: Der Weg zum väterlichen Schloss des Dritten führt am Wald der Räuberbande vorbei, in dem seine älteren Brüder hausen. Der Fuchs rät ihm, auf diesem Weg kein Galgenfleisch zu kaufen und sich auf keinen Brunnenrand zu setzen. Der Dritte hält sich diesmal wieder nicht an den Rat des Fuchses, er kauft seine Brüder vom Galgen frei und nimmt sie als seine Begleiter mit. Er läßt sich gutgläubig von ihnen überreden sich auf einen Brunnenrand zu setzten, und sie stürzen ihn hinab. Dann nehmen sie den Vogel Phönix, das Bunte Pferdchen und die Drachenmaid mit zu ihrem Vater-König und berichten ihm, sie hätten alles dies erreicht. Aber der Vogel Phönix singt nicht, das Bunte Pferdchen frißt nicht und die Drachenmaid weint nur. Inzwischen rettet der Fuchs erneut den Dritten. Dieser will sich beim Fuchs bedanken und gelobt ihm einen Wunsch, wie er auch sei, zu erfüllen. Der Fuchs bittet ihm Kopf und Schwanz abzuschlagen und gemeinsam mit dem Körper zu verbrennen. Der Dritte tut dies, und der Fuchs verwandelt sich im Feuer zu einem Prinzen. Er erzählt ihm das Geheimnis seiner Verzauberung: Er und die Drachenmaid sind Bruder und Schwester. Seine Schwester wurde, weil sie heiratsunwillig war, von einem Drachen entführt und gefangen gehalten. Er wurde von diesem Drachen in einen Fuchs verzaubert, als er seine Schwester befreien wollte. Vom Zauber erlösen könne ihn nur jemend, der ihn liebe, auf ihn höre, dem er das Leben rette und der ihn aus Dank darüber töte. Die beiden Prinzen (der Dritte und der entzauberte Fuchs) reisen glücklich zum Vater-König des Dritten und als sie ankommen singt der Vogel Phönix, das Bunte Pferdchen wiehert und frißt und die Drachenmaid umarmt ihren Liebsten. Der alte Vater-König heilt, der Dritte und die Drachenmaid heiraten, die bösen Brüder werden verbannt und der Fuchsprinz reist zum Königshof seines Vaters. (Und wenn sie nicht gestorben sind,...)

Verlegt man auch dieses Märchenende in die seelische Ebene, so erfährt man, dass der Dritte noch zu lernen hat Mitgefühl von blindem Vertrauen zu unterschieden (Rettung der älteren Brüder). Dies ist wieder eine Variante des Themas "Sein und Schein": Wahrheit muß erkannt werden, auch wenn sie unangenehm ist (der Dank der Brüder war nur scheinbar ehrlich). Ist auch das gelernt, offenbart sie sich (Fuchs erzählt dem Dritten seine Geschichte) und befreit von allen Verzauberungen, hinter der sie versteckt war. Das "Alter Ego" des Dritten, der Fuchs, ist im Dritten zu vollem Bewußtsein erwacht. Der Mensch ist zu seinem Selbst vorgedrungen, er hat seine Ganzheit erreicht (der alte König heilt). Jetzt kann die "heilige Hochzeit" (Dritter und Drachenmaid heiraten) gefeiert werden. Animus und Anima sind zwei innere Geschwister-Gestalten, die sich nun lieben können, der Mensch ist glücklich.

Der Fuchs gab als Fuchs Weisheit und das Wissen des "Alten Weise" auf der Instinktebene dem Dritten weiter. Er agiert dabei als Trickster, der oft als Aspekt des Alten Weisen auftritt. Um dieses Wissen aus der Instinktebene ins Bewußtsein zu heben (die Verzauberung zum Fuchs aufzulösen) will er in die drei Teile zerhackt werden, die seine drei Talente und seine drei Lehren verkörpern: Sein Kopf steht für Erkennen, Wissen. Er lehrt Sein und Schein zu erkennen und das Sein zu wählen. Sein Schwanz symbolisiert Potenz, Kraft. Dieser lehrt Leidenschaft von Liebe zu unterscheiden und der Liebe zu folgen. Ich möchte sagen sein Leib steht besonders für das Herz. Es lehrt Wahrheit von Lüge zu unterscheiden und der Wahrheit zu dienen. Diese drei Teile will er ins Feuer geworfen wissen, denn er weiß um die Feuer der Wandlung, um die Schmiedefeuer der Läuterung, welche eine reife Persönlichkeit formen: es formt aus dem instinkthaftem Fuchs einen Prinzen, einen vollendeten "Animus".

Der Trickster (Fuchs) gilt als der Schöpferschamane der alten Kulturen. In diesem Märchen zeigt er sich als der innere Schamane, der den Weg zu einem sich und andere glücklich machendem Selbst (Dritter) hilfreich begleitet, ja ermöglicht. Aber es ist ein etappenreicher Weg (mehrere Gastgeber-Könige unterwegs) - auf persönlicher wie auf kultureller Ebene, denn die persönliche Entwicklung bedingt, kollektiv betrachtet, die kulturelle.


Abstieg vom Reinherzigen zum Politiker

Seit dem Mittelalter sind die Geschichten von "Reinecke Fuchs" bekannt. "Reinecke" ist ein Ehrenname für den Fuchs. Er ist die Verkleinerungsform von Reinhart, was "Reines Herz" bedeutet und im Zusammenhang mit unverfälscht, ehrlich und ehrenhaft steht.

Der Inhalt: "Reinecke Fuchs" läßt durch seine listenreichen Klugheit die Gefolgsleute des Königs als die Dummen dastehen, als sie ihn seiner Unbotmäßigkeiten wegen abführen wollen. Sie kommen ihm nicht bei, obwohl sie ihm an Status und Kraft überlegen sind (Bär, Wolf). Reinecke hält sich nicht an höfische Gepflogen- und Verlogenheiten; heute würde man diese als Diplomatie und Politische Korrektheit bezeichnen. Der Fuchs als Gesellschaftskritiker - dieses Thema war überaus erfolgreich. Goethes bekanntes Versepos "Reinecke Fuchs" von 1793 bezog sich auf die schon 1498 in Niederdeutsch erschienenes Volksdichtung "Reynke de vos".

In der 1842 erschienenen Satire "Staats- und Familienleben der Tiere" von Grandville geht diese Kritik an der Gesellschaft noch weiter. Er läßt den Fuchs die Rolle des gerissenen Politikers einnehmen: "Der Fuchs, der es möglich gemacht hatte, seinen Platz weder auf der linken, noch auf der rechten Seite, noch auch in der Mitte zu nehmen, benutzte den günstigen Augenblick und schlich sich auf die Rednertribüne." Der schlaue Fuchs durchschaut als einziger die Schwächen der versammelten Tiere. Er manipuliert sie alle, stellt die Anträge und läßt sich zum Vorsitzenden wählen. - Das Ansehen des Fuchses hat hier als Symbol für Politiker einen Tiefpunkt erreicht.


Zähmen und Freundschaft lernen

In der Moderne ändert sich das Bild vom Fuchs erneut. Wesentlich trug dazu die weltweit populär und beliebt gewordene Geschichte "Der kleine Prinz" (1948) von Antoine de Saint- Exupery:

Ein Teil des Geschehens: Der kleine Prinz lebt auf seinem kleinem Planeten. Er sucht Freunde. Da begegnet ihm ein Fuchs, er fragt ihn, ob er sein Freund sein könne. Der Fuchs antwortet mit nein, da er von ihm nicht gezähmt worden sei. "'Was bedeutet Zähmen'", fragt der kleine Prinz. "'Es bedeutet 'sich vertraut miteinander machen'" antwortet der Fuchs und erklärt weiter: "'Du bist für mich nur ein kleiner Junge, ein kleiner Junge wie hunderttausend andere auch. Ich brauche dich nicht. Und du brauchst mich auch nicht. Ich bin für dich ein Fuchs unter Hundertausenden von Füchsen. Aber wenn du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein. Und ich werde für dich einzigartig sein in der ganzen Welt.'"

Der Fuchs weiß auch über das Sich-vertraut-machen: "'Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.'"

Dieses Büchlein erschien kurz nach dem 2. Weltkrieg, wer war da noch wessen Freund? Der Fuchs erscheint in dieser poetischen Geschichte erneut als der Schöpferschamane. Er verrät, wie eine neue Welt aussehen könnte. "Sich vertraut machen", vertraut werden mit dem Anderen und dem Anderem.

Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und später der Europäischen Union wurde diesem Rat des Fuchses gefolgt. Duch Austauschprogramme vielfältiger Art, durch Reisefreiheit und Betonung des Gemeinsamen bis hin zu einer gemeinsamen Währung wurde die nationale Eigenbetonung "gezähmt". Die Anderen als einzigartig kennenlernen zu können erfuhr auf vielen Ebenen Förderung.

Diese Geschichte ist vielschichtig. Der Fuchs tritt hier auch auf als Symbol der Sexualität, die "gezähmt" werden muß, damit sie zum Freund der Gesamtpersönlichkeit wird, damit sie nicht als Instinkt unintegriert nebenher ihr eigenes Dasein lebt.


Vieles hilft - aber Humor erlöst
Ein Medizinmann rät:

Der Fuchs ist voller Finesse und Subtilität. Er entzieht sich leise. Wenn Euch der Fuchs begegnet, bedenkt, ob Ihr etwas übersehen oder Euch auf dünnes Eis gewagt habt. Vertraut Eurer Intuition und Erfahrung, aber erwartet immer Unerwartetes.

Der Fuchs lehrt Euch Tarnung und die Nutzung jeder Begebenheit. Beobachtet gut, denkt weiträumig. Dann lernt Ihr das Gelände zu nutzen, taktisch zu handeln, zu überleben und Euer Schicksal zu gestalten. Wer die Kunst der Tarnung beherrscht, weiß auch um das Eigentliche und das Wahre, das sich hinter Verschleierungen in den Herzen versteckt. Respektiert dieses Wahre in jedem, der Euch begegnet. Helft dem, der Hilfe möchte.

Fuchs lehrt Euch die Welt mit Humor zu betrachten. Nicht alles gelingt. Lachen erlöst. Versucht es erneut.


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Stus Blog

Cornelia Savory-Deermann Cornelia Savory-Deermann

Cornelia
Savory-Deermann
, geboren 1945 in Wuppertal, hat seit 1971 Englische Bulldoggen. Seit Mai 2005 haben die Bulldogs hier ihr eigenes deutsches Weblog bekommen:

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Die Buchkapitel:

Inhalt

Einleitung

Tiere als Spiegel der Seele

Tiere als Sinnbild der Kultur

Bilder von Maggie M. Roe

1. Adler
2. Bär, Bärin
3. Biber
4. Biene
5. Delphin
6. Esel
7. Eule
8. Falke
9. Fisch
10. Fledermaus
11. Frosch, Kröte
12. Fuchs
13. Gans
14. Hase
15. Hirsch
16. Huhn, Hahn
17. Hund
18. Katze, Kater
19. Krebs
20. Kuh, Stier
21. Maus
22. Möve
23. Mücke
24. Muschel
25. Otter
26. Pferd
27. Rabe
28. Ratte
29. Reh
30. Schaf, Widder
31. Schildkröte
32. Schlange
33. Schmetterling
34. Schwan
35. Schwein, Eber
36. Seehund
37. Spinne
38. Storch
39. Taube
40. Wal
41. Wolf
42. Ziege, Z-Bock

Literatur-Verzeichnis




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