Tiere als Spiegel der Seele und Sinnbild der Kultur
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Reh


Zum Symbol, zum Sinnbild gewordene Eigenschaften

  • Das Reh ist das Kind des Waldes, so wie der Hirsch der Herr des Waldes ist. Es ist das klassische Jagdwild, da es wehrlos ist. Aber es ist ein Fluchttier, das alle Wege kennt.
  • Seine zierliche Erscheinung, seine großen, sanften Augen und sein scheues Verhalten machten es auch zum Symbol reizvoller, mädchenhafter Verführung und der Kindfrauen.
  • Durch seine Aggressionslosigkeit wurde es zum Sinnbild der Unschuld, des Vertrauens und auch der Folgsamkeit.


Reh, Rehlein und der Jäger

Das Reh war und ist - nicht nur bei den Menschen - ein äußerst beliebtes Jagdwild, denn es ist ein leichtes Opfer, weil es keine Waffen hat und vergleichsweise klein ist. Jedes Raubtier versucht die Jungen und Kranken einer Herde zu erjagen, einfach weil das viel einfacher ist, als ausgewachsene und starke Tiere zu reißen. Das Reh in seiner Harm- und Wehrlosigkeit, und da es noch nicht einmal im Schutz einer Herde sondern einzeln lebt, ist für alle Jagdtiere wie ein ewiges Jungtier, das sich verloren hat. Die Vorliebe des "Wilden Jägers" für das Reh, wie in alten Liedern und Geschichten überliefert, zeigt somit den auch in ihm noch vorhandenen, natürlichen Raubtierinstinkt. Sogar der Mann im Mond, er ist ebenfalls ein "Wilder Jäger", nämlich ein Wilddieb, trägt der Sage nach ein Reh auf der Schulter.

Das Reh zeichnet sich durch große Anmut und Zartheit aus, es symbolisiert scheue Schönheit, Charme und sanfte Verlockung. Viele fröhliche Jagdlieder erzählen von dem munteren Rehlein im Walde und seinem Jäger. Was Wunder, dass es darin gelegentlich die Nebenbedeutung eines jungen, unschuldigen Mädchens hat, das der Jäger "erjagen" will. Seine großen und sanften "Rehaugen" sind neben dem Ausdruck seiner Kindlichkeit auch Ausdruck seiner Verletzlichkeit. Alte Jagdgeschichten erzählen, es weine, wenn es gestellt wird. Flucht und Wehrlosigkeit erregt nicht nur den Jagdtrieb, sondern ruft im Menschen auch immer den Beschützertrieb hervor: gute Jäger sind gleichermaßen die Heger des Waldes und seiner Tiere.

Die Kindlichkeit, die das Reh symbolisiert, zeigt sich auch sprachlich: so wie DAS Mädchen, heißt es DAS Reh. Der Begriff "die Ricke" wird selten benutzt, er ist eine Verkleinerunsform von "Reh". Reh/Ricke/Rehbock gehört zum Rotwild. Möglicherweise hängt das Wort "Reh" mit "rot" zusammen. Interessanter ist allerdings "Deer", das Reh in Englisch. Es bedeutet einfach das "Tier", und als "Dear" auch "lieb". Verglichen mit Bär und Wolf ist das wehrlose Reh tatsächlich völlig "lieb", lieb wie ein Kind.


Die Wege kennen

Das Reh kann nur auf die Überlebensstrategie Flucht und Verstecken setzen. Und beides beherrscht es gut, es ist ein schnelles Fluchttier und ein hervorragender Beobachter und Kenner seines Geländes.

Als ich neulich mit einem Jägerfreund auf der Kanzel saß, graste eine Ricke geschützt in der Dämmerung an einem Waldesrand. Ein Bock kam an und vertrieb sie grob, er wollte diesen guten Futterplatz für sich. Auffallend war der Fluchtweg der Ricke vor ihm: sie lief nicht gerade aus zum gegenüber liegendem Buschgelände, sondern bog ohne ersichtlichen Grund links ab, lief aber dann auch nicht von dort aus zu den dortigen Bäumchen, sondern bog nach einer Weile wieder rechts ab zu dem Gebüsch, das ihrem Startpunkt am nächsten gewesen war. Mein Jägerfreund erklärte mir, "direkt geradeaus wäre sie in meinem Revier gefährdet gewesen, denn sie hat gesehen, dass wir hier in der Kanzel sitzen. Weiter links ist das Nachbarrevier, und du kannst wie die Ricke sehen, dass in der Kanzel dort heute auch ein Jäger sitzt. Sie ist genau über die unmarkierte Reviergrenze gelaufen, weil dort weder ich noch mein Reviernachbar schießen, um mögliche Streitereien um das Wildfleisch zu vermeiden. Man weiß ja vorher nicht auf den Meter genau, ob es rechts oder links von der Reviergrenze fallen wird. Sie weiß sich auf diesem Grenzstreifen sicher. Rehe sind klug." Ich war beeindruckt. Fliehen ist eben nicht nur ein Weglaufen, auf der Flucht zu überleben bedeutet viel mehr.

Es ist häufiger zu lesen, dass in der keltischen Mythologie die Göttin Rhyanna sich in ein Reh verwandle und Menschen, die sich im Wald verlaufen haben, in dieser Gestalt wieder auf ihren Weg zurückführe. Nach der oben beschriebenen Beobachtung der außergewöhnliche Geländekenntnis des Rehs, einschließlich der Einbeziehung abstrakter, menschlicher Grenzziehungen, verstand ich sofort wieso gerade das Reh Sinnbild der Helferin für Menschen wurde, die ihren Weg verloren hatten.

Interessant finde ich "Rhyanna" als den Namen dieser Helfergöttin in Rehgestalt. Er steht in sprachlicher Verbindung mit unserem "Rhein", der Wasser"rinne". Wasser findet immer seinen Weg, so wie das Reh. Vielleicht ist sein Name auch aus diesem Zusammenhang erklärbar.


Die Kindfrau

Die Kindlichkeit, welche das Reh symbolisiert, ist Grundmotiv im bekannten Märchen "Brüderchen und Schwesterchen" der Gebr. Grimm:

Brüderchen und Schwesterchen leiden unter der Behandlung ihrer bösen Stiefmutter. So nimmt Brüderchen Schwesterchen an die Hand und geht mit ihr fort in den Wald. Brüderchen wird alsbald durstig, er will aus den Quellen trinken. Schwesterchen aber hört in ihrem Rauschen die Warnung, die Stiefmutter habe alle Wasser vergiftet. Sie hält Brüderchen vom Trinken ab, da er sonst in einen Tiger verzaubert worden wäre. Die nächste Quelle würde ihn in einen Wolf verwandeln, warnt sie ihn, und er widersteht seinem Durst. An der dritten Quelle aber kann er sich nicht mehr beherrschen, er trinkt und wird in ein Reh verwandelt. Schwesterchen legt Rehlein ihr goldenes Strumpfband um den Hals und sorgt liebevoll für es. Sie leben zufrieden in einer Hütte im einsamen Wald. Eines Tages jagen die Männer des König dort. Das Rehlein möchte an der Jagd teilhaben und bittet Schwesterchen, es herauszulassen. Die Jäger freuen sich an der Schönheit Rehleins, aber sie können es nicht erjagen. Erst am dritten Tag verletzt ein Jäger es am Fuß und verfolgt es bis zur Hütte. Der Jäger erzählte dies dem König. Sobald bricht der König auf, um Schwesterchen als seine Frau in sein Schloß zu holen. Sie leben lange Zeit glücklich dort und Rehlein wird gepflegt und gehegt.

Dann bringt die Königin ein schönes Knäblein zur Welt. Zur gleichen Zeit hört die böse Stiefmutter und ihre rechte Tochter, die häßlich und einäugig ist, vom Glück Schwesterchens. Sie neiden ihr das Glück und machen sich auf zum Schloß, um die häßliche Stiefschwester zur Königin zu machen. Stiefmutter verkleidet sich als Kammerfrau und lockt die geschwächte Königin, ein Bad zu nehmen. Dann sperrt sie sie dort ein, nachem sie ein Höllenfeuer angefacht hat, und die Königin erstickt. Die Alte setzt der häßlichen Schwester die Haube der Königin auf und gibt ihr Gestalt und Aussehen der Königin. Nur das fehlende Auge kann sie nicht ersetzen. Der König kommt und will zu seiner lieben Frau. Aber die Alte wehrt ihn ab, die Königin könne das Licht noch nicht vertragen, und zieht den Bettvorhang zu. Der König bemerkt nicht, daß eine falsche Königin im Bett liegt. Um Mitternacht sieht die Kinderfrau neben der Wiege die echte Königin stehen. Sie wiegt ihr Kind und gibt ihm zu trinken.

Dann geht sie zu Rehlein und streichelt es, bevor sie wieder verschwindet. Die Kinderfrau wagt nicht darüber zu sprechen, weil sie die einzige ist, die die echte Königin sehen kann. So geht es viele Nächte. Dann beginnt die Königin nachts bei ihren Besuchen zu sprechen: "Was macht mein Kind, was macht mein Reh? Nun komm ich noch zweimal und dann nimmermehr." Da erzählt die Kinderfrau dem König alles. Der wartet in der nächsten Nacht mit der Kinderfrau auf die Königin, aber er getraut sich nicht, sie anzusprechen. Erst in der nächsten Nacht, der letzten, in der die Königin erscheint, kann er sich nicht zurückhalten und sagt, "Du kannst nur meine liebe Frau sein." Die Königin antwortet. "Ja, ich bin deine liebe Frau." Da wird sie wieder lebendig und rosig und gesund. Sie erzählt dem König vom Frevel der Stiefmutter und Stiefschwester. Der König läßt die Stiefmutter verbrennen und die Stiefschwester im Wald von wilden Tieren zerreißen. Da wandelt sich Rehlein in seine menschliche Gestalt zurück. Schwesterchen und Brüderchen leben glücklich zusammen bis zu ihrem Ende. (und wenn sie nicht gestorben sind,...)

Dies Märchen erzählt die Entwicklung eines Mädchens (Schwesterchen) zur Frau und Mutter (Königin), das große Angst davor hat, eine Frau und Mutter zu werden. Dies Märchen, oder Teile davon, lassen sich aber auch sehr gut kulturhistorisch deuten, da sie ebenso den Vernichtungskampf, die Hexenverbrennungen ansprechen, die im Mittelalter der Klerus gegen die Frauen aus Angst vor einem Kontrollverlust über sie führte. Die Rolle des Rehs läßt sich allerdings am besten erklären, wenn man alle Figuren dieses Märchendramas als innere Seelenaspekte des Mädchens deutet.

Das Mädchen (Schwesterchen) hat eine negative, destruktive, angstgeladene und verweigernde Ablehnung der Mutterrolle (böse Stiefmutter) - aus welchem Grunde auch immer - verinnerlicht. Aus dieser seelischen Disposition heraus will sie selbst nicht Mutter werden. Ihre männlichen, triebhaften und tatkräftigen Seiten sind, solange sie nicht sexuell dominiert sind, in ihr Bewußtsein integriert. (Brüderchen ist noch nicht verzaubert.) Diese aktiven Eigenschaften lassen sie den Mut fassen (Brüderchen nimmt sie bei der Hand) in die Welt (Wald) zu ziehen.

Ihre Angst vor dem Ausgeliefertsein an eine Mutter-Existenz läßt sie die "Wasser des Lebens" (Quellen), zu denen die Mütter natürlicherweise den Zugang beherrschen, als gefährlich (vergiftet) erscheinen. Ihre Angst ist ganz konkret. Sie befürchtet von ihren inneren Trieben (Tiger) und Begierden (Wolf) übermannt und vernichtet zu werden. Vernichtet werden heißt hier, dem Fluch der Mutter=Mutterschaft durch die Gewalt der sexuellen Bedürfnisse zu verfallen. Deshalb unterdrückt und kontrolliert sie (Brüderchen durstet) diese Instinkte bis zu einem Punkt, an dem sie harmlos und völlig kindlich (Brüderchen wird nur ein Reh) geworden sind. Die Verzauberung ihrer triebhaften Seiten in ein Tier sagt aus, daß sie diese Seiten aus ihrer Persönlichkeit desintegriert, abgespalten hat. Sie hat sich nicht zur Frau, sondern zur Kindfrau entwickelt. Als Kindfrau fühlt sie sich wohl, ihre eigenen animalischen Tiefen beunruhigen sie nicht mehr. (Sie lebt mit Rehlein, dem sie ihr goldenes Strumpfband umgelegt hat und das sie liebevoll versorgt, friedlich im Wald.) Die Mutterschaft (Stiefmutter) ist fern. Aber auch eine Kindfrau hat wenn schon nicht sexuelle, so doch erotische Wünsche: sie will locken, sich jagen lassen. (Rehlein verführt die Jäger zu einem Verfolg-mich-Spiel.) Sie läßt sich über spielerische Erotik und kindliche Zärtlichkeit von der Liebe (König) berühren (heiratet den König). Sie stagniert aber in ihrer Ehe weiterhin in der Rolle der Kindfrau (Brüderchen bleibt ein Reh), weil sie nach wie vor Angst vor der Kraft ihrer eigenen Weiblichkeit hat.

Aber Entwicklung läßt sich nur verzögern, nicht verhindern. Die Kindfrau bekommt selbst ein Kind, und damit bricht der Konflikt aus. Ihre negative, ablehnende Sicht erwachsener, voll entwickelter Weiblichkeit als Geliebte (Stiefschwester) und Mutter (Stiefmutter) wird aktiviert (die beiden besuchen sie). Kreatürliche Freude an der Sexualität kann die Kindfrau nur als häßlich (Stiefschwester ist häßlich) empfinden. Im Verborgenen (hinter geschlossenen Bettvorhängen) muß sich solch ungebremste, dunkle Lust aus ihrer Sicht verstecken. Unbewußt weiß die Kindfrau aber, daß sie die Sexualität einseitig negativ betrachtet (die häßliche Schwester ist einäugig). Die ablehnende Haltung gegenüber einem Mutter-Sein, das als Ausgeliefertsein verstanden wird, beherrscht nach wie vor ihr Bewußtsein und erstickt sie. (Die Stiefmutter erstickt sie durch ein Feuer im Bad).

In ihrem Unbewußten dagegen weiß die Kindfrau um die verdrängten positiven Kräfte der Weiblichkeit. (Nachts geht sie, als ihr "Schatten" sozusagen, zu ihrem Kind und ihrem Reh, um sie zu pflegen und zu liebkosen.) Dieses verborgene, von ihr selbst nicht zugelassene Wissen um die Liebe als Basis der Weiblichkeit bricht in ihr Bewußtsein ein, als sie, ehe sie alles verliert (sterben wird) endlich Weiblichkeit aus der Sicht des Herzens (König) zuläßt und erfährt. Gesteuert wird diese Entwicklung zur Ganzhait von ihrer Seele, Anima (Kinderfrau hört ihre Trauer als einzige und berichtet dem König). Die Intergation ihrer triebhaften Energien und sexuellen Bedürfnisse in ihre Gesamtpersönlichkeit kann jetzt erfolgen (Brüderchen wird wieder ein Mensch.) Der Entwicklungsprozess von der Kindfrau zur Frau ist unumkehrbar gelungen. (Brüderchen und Schwesterchen leben glücklich zusammen bis zu Ihrem Ende.)

Nicht das Feuer (Tiger) noch die Begierde (Wolf) seiner Sexualität zerreißt das Mädchen, sondern nur sein häßliches Bild davon. (Stiefschwester wird als Strafe von wilden Tieren zerrissen.) Nicht Mutterschaft erstickt (Stiefmutter erstickt Schwesterchen mit einem Feuer im Bad), sondern nur das Festhalten an der destruktiven Überzeugtheit davon. (Stiefmutter wird zur Strafe verbrannt.)


Die Rehprinzessin

Das Thema "Frau werden" steht unter dem Aspekt des Alter Ego in einem dänischen Volksmärchen (Herausgegeben von S. Grundtvig) im Mittelpunkt des Geschehens:

Eine Prinzessin und ein Prinz liebten sich von klein auf, und es war bestimmt, dass sie später heiraten würde. Aber ihre böse Stiefmutter wollte dies Glück verhindern. Sie kündigte an die Prinzessin in ein flüchtendes Reh zu verzaubern, wenn sie ins Brautbett steigen würde. Die Prinzessin wurde sehr traurig und suchte eine Ersatz-Königin für sich, um dem Prinzen diesen Kummer zu ersparen. Sie ging zu den armen Leuten im Dorf und suchte nach einem Mädchen, das so alt wie sie und vor allen Dingen verschwiegen war, um sie als ihre Dienerin mit ins Schloss zu nehmen. Das dritte Mädchen bewährte sich, es blieb bei der Prinzessin, beide lernten und spielten zusammen, und das Mädchen wurde dabei der Prinzessin zum Verwechseln ähnlich.

Als es soweit war Hochzeit zu feiern erzählte die Prinzessin dem Mädchen vom Fluch der Stiefmutter und sie verabredeten, dass das Mädchen zum Prinzen ins Brautbett springen solle, wenn sie selbst verwandelt würde, um diesen ihren Verlust nicht merken zu lassen. Sie sagte dem Mädchen auch, an den drei ersten Weihnachtsabenden um Mitternacht würde sie für eine Stunde wieder ein Mensch sein, dann könnten sie sich im Wald treffen und miteinander sprechen. Der Prinz bemerkte den Austausch nicht, er hielt das Mädchen für die Prinzessin. Das Mädchen bat ihn sie noch ihr Spieljahr, ihr Mädchenjahr und ihr Spinnjahr Jungfrau bleiben zu lassen, und er schlug ihr diese Bitte nicht ab.

Der Vater des Prinzen starb und dieser wurde König. Das Mädchen und die Königin trafen sich wie verabredet an den ersten zwei Weihnachtsabenden, aber das weihnachtliche Verschwinden des Mädchens im Wald fiel den Leuten auf und der König erfuhr davon. Das Mädchen blieb verschwiegen, deshalb folgte der König ihr heimlich am dritten Weihnachtsabend in den Wald. Er hörte die Königin das Mädchen fragen, wie sie mit dem König lebe und auch deren Antwort "wie Bruder und Schwester". Die Königin verriet, es gäbe nur einen Weg sie wieder Mensch werden zu lassen: wenn ein noch unschuldiger König sie mit seinem Schwert blutig verwunde, aber er müsse dies von sich aus tun. In diesem Moment verwandelte sie sich wieder in ein Reh, der König sprang vor und stach mit dem Schwert nach ihr, sodass Blut floss. Sofort verwandelte sie sich in eine wunderschöne Königin. König und Königin lebten glücklich miteinander und das treue Mädchen blieb bei ihnen wie ein Teil von ihnen. (Und wenn sie nicht gestorben sind,...)

In diesem Märchen geht es sehr offensichtlich um die Sexualität, durch deren Erfahrung ein Mädchen - die Rehprinzessin - zur Frau erwächst. Das Zusammenspiel der Seelengestalten "Inneres Kind", "Schatten", "Animus", "Anima" macht den inneren Reifungsprozess sehr deutlich:

Der Prinz/König ist der Rehprinzessin eigener Animus, ihr männlicher Seelenanteil. Mädchen und Rehprinzessin sind ihr gegenseitiges Alter Ego (lieben sich und sind sich zum Verwechseln ähnlich). Vor der Hochzeit ist das Mädchen das Alter Ego der Rehprinzesssin, danach ist es umgekehrt, das Mädchen übernimmt die Führung. Die Rehprinzessin ist der Aspekt dieses Reifungsprozesses, der noch kindheitsverhaftet ist, sich still zurückzieht, sie steht für das Innere Kind (Reh). Es dominiert die Psyche, will zunächst keine Änderung (drei Jahre Verzauberung). Die dies gewährleistende Autorität (Stiefmutter) ist der Schattenaspekt der Stagnation (Stiefmutter verzaubert es mit der Hochzeit zum Reh).

Als Gegenkraft zur Stagnation wird die Anima wirksam. Sie zeigt sich instinktsicher und erdverbunden (das treue Mädchen ist ein einfaches Dorf- Landmädchen). Sie ist dadurch auch stark genug Verantwortung zu übernehmen (spricht aus, was sie fühlt: dass sie für Sexualität noch zu jung sei). Ihr Animus ist inzwischen erwachsen geworden (Prinz wurde König) und ordnet sich Anima als stärkster Kraft unter (folgt der Bitte des Mädchens um Wartezeit). Animus (König), die männliche Kraft in einem heranwachsenden Mädchen, muß sich letztendlich wiederum gegenüber dem Inneren Kind durchsetzten (mit dem Schwert das Reh verletzen). Anima als allgemeine Kraft des Seelenwachstums bringt diesen Prozess in Gang (Mädchen führt König zur Rehprinzessin). Sie führt zu Ganzheit und damit zur Liebesfähigkeit einer Frau.


Folgsamkeit

Zu Kindlichkeit gehört Folgsamkeit, da ein Kind die Verantwortung für sich selbst noch nicht tragen kann, folgt es einer faktischen oder ideellen Autorität.

In der Literatur wird das Reh dem Reich der Frau Holle zugeordnet. Frau Holle ("hell, heil", griech. Helios=Sonnengott) ist die Große Mutter als Sonnen- und Himmelsgöttin. In der Tradition der Frau Holle ist DIE Sonne im Deutschen auch weiblich geblieben. Das Reh ist in seiner Symbolausprägung das Kind der Sonne: arglos, großäugig und ihres Mutterschutzes bedürftig. Es ist ein Aspekt der folgsamen Goldmarie im Märchen "Frau Holle".

Kindliche "Reh-Frauen" wurden im Christentum positiv eingebunden. Maria reitet der Legende nach auf einem laubgekränzten Reh. Eine andere Legende erzählt von einem frommen Reh, das vor der Hostie kniet. Gnadenbilder der Muttergottes sind gerne mit Rehen und Rosen geschmückt. Das Reh in seiner Kindlichkeit wird hier zum Symbol folgsamer Frömmigkeit, wie sie damals ja auch Erziehungsziel besonders für Mädchen war.

Das Reh galt auch als das Tier der Saligen, der seligen Toten. Es verlockte Menschen in ein unterirdisches, wunderschönes Zauberreich. Als bedrohliches Spuktier tritt es dagegen so gut wie nie in Erscheinung.


Die Verwandlung der Angst
Eine Medizinfrau erzählt:

Es gibt ein Märchen über unseren größten Feind, die Angst: Das Reh wurde vom Großen Geist auf die Spitze des Heiligen Berges gerufen. Es wußte nicht, daß ein Dämon alle Lebewesen daran zu hindern suchte, dem Großen Geist zu begegnen. Deshalb hatte es auch keine Angst, als es vor dem Dämon stand, sondern die Häßlichkeit dieses Wesens erfüllte es mit Mitleid. Es bat freundlich, durchgelassen zu werden. Seine Sanftmut und sein Mitgefühl aber ließen den Dämon schrumpfen, bis er verschwunden war. Seit dieser Zeit ist der Weg zum Großen Geist für alle Rehe frei.

Die Medizinfrau erinnert: Nicht die Dämonen sind Eure Feinde, sondern Eure Angst vor ihnen. Ihr könnt die Macht und Schrecklichkeit eurer Dämonen mit eurer Angst füttern, stärken und Wirklichkeit werden zu lassen. Ihr habt aber auch die Reh-Macht die Dämonen zu wandeln und bis zum Verschwinden schrumpfen zu lassen.

Ihr könnt eure Angst in Vertrauen wandeln, wenn ihr mit ihr sprecht. Fragt sie wovor sie euch schützen will und dankt ihr für ihre gute Absicht. Verurteilt sie nicht, hört ihr zu und lernt dabei etwas über euch selbst. So macht ihr euch den Weg zum Großen Geist, zum Geheimnis allen Geschehens frei.


"Zeit der Initiation" von Maggie M. Roe

Zwei Rehe liegen am Strand. Sie tragen kein Gehörn, sie sind Ricke und Schmaltier (junges Reh). Seit der Geburt des Jungtieres sind sie zusammen, jetzt steht die Ablösung bevor, die Auflösung der Mutter-Kind Gemeinschaft. Das Jungtier hebt den Kopf zur Mutter, voller Vertrauen, seine Nüstern an ihren Nüstern, als wolle es etwas erfragen. Es liegt geduckt, streckt seinen Hals lang vor, das verstärkt den Eindruck seiner Scheu, Vorsicht und doch auch Bereitschaft.

Das Meer hinter den Beiden zeigt weite, neue Horizonte, um die es bei einer Initiation, bei einer Reife-Feier, der Einführung ins Erwachsenenlebens ja immer geht.

Über dem Wasser schwebt ein Kreis mit einem Mond in sich. Fruchtbarkeit und Sexualität ist das Thema. Der stilisierte Rehkopf im Kreis trägt ein Gehörn, der Rehbock erscheint als Ahnung des Kommenden, auf ihn bereitet die Ricke ihr Jungtier sanft und ruhig vor. Dem Rehbock ist nicht auszuweichen, er beherrscht im Mandala die Szene, sieht nach rechts, links, und die Beiden direkt an. Seine Augen sind ungerichtet, er symbolisiert seine Funktion, das Naturgesetz in ihm. Rehböcke sind Einzelgänger. Persönlich ist dagegen die Beziehung zwischen Ricke und Jungtier. Sie sind sich vertraut. Sie ruhen auf dem Balken, der die Erde symbolisiert, sie ist ihr Grund und ihre Sicherheit.


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Cornelia Savory-Deermann Cornelia Savory-Deermann

Cornelia
Savory-Deermann
, geboren 1945 in Wuppertal, hat seit 1971 Englische Bulldoggen. Seit Mai 2005 haben die Bulldogs hier ihr eigenes deutsches Weblog bekommen:

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Die Buchkapitel:

Inhalt

Einleitung

Tiere als Spiegel der Seele

Tiere als Sinnbild der Kultur

Bilder von Maggie M. Roe

1. Adler
2. Bär, Bärin
3. Biber
4. Biene
5. Delphin
6. Esel
7. Eule
8. Falke
9. Fisch
10. Fledermaus
11. Frosch, Kröte
12. Fuchs
13. Gans
14. Hase
15. Hirsch
16. Huhn, Hahn
17. Hund
18. Katze, Kater
19. Krebs
20. Kuh, Stier
21. Maus
22. Möwe
23. Mücke
24. Muschel
25. Otter
26. Pferd
27. Rabe
28. Ratte
29. Reh
30. Schaf, Widder
31. Schildkröte
32. Schlange
33. Schmetterling
34. Schwan
35. Schwein, Eber
36. Seehund
37. Spinne
38. Storch
39. Taube
40. Wal
41. Wolf
42. Ziege, Z-Bock

Literatur-Verzeichnis




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