Tiere als Spiegel der Seele und Sinnbild der Kultur
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Tiere als Sinnbild der Kultur


Der kreatürliche, kulturelle und ökonomische Stellenwert, den eine Gesellschaft den Tieren gewährt, verrät die Haltung dieser Gesellschaft gegenüber dem Leben insgesamt. Betrachten wir, welche einzelnen Tierarten in einer bestimmten Kulturepoche konkrete und symbolische Rollen im Kultus, im Brauchtum und in der Kunst spielen, so erfahren wir wichtige Hinweise über die Werte und Konflikte, die Welterklärungsmodelle und Jenseitsvorstellungen dieser Epoche.

In der Frühzeit der Menschen war das Tier ihr Ahne und ihr Schutzgeist. Es aus Hunger zu töten konnten die Menschen sich selbst nur durch Rituale, Opfer und Gebete verzeihen. Heute ist das Tier juristisch eine Sache, das heißt rechtlos, seelenlos und sein Wert ist nur noch ein Geldwert. Diese sich über Jahrtausende hinziehende, langsame Entwertung des Tieres ging Hand in Hand mit der zunehmenden Macht, die der Mensch über die Naturkräfte gewann. Unsere Urwälder sind schon lange gerodet, Deiche wurden gebaut und der Blitzableiter entwickelt. Die endgültige Ausrottung der Wölfe in Europa erfreute die Menschen damals und das Verschwinden der Störche ließ sie kalt. Diese Entwicklung gipfelte in den letzten Jahren in dem auf den Menschen übertragbaren Rinderwahnsinn BSE, den die Menschen sich durch abartige, aber profitsteigernde Fütterungsmethoden selbst in die Küchen brachten. Die Kühe wurden von vielen Bauern mit zu Mehl verarbeiteten Kuhkörpern gefüttert, sie zwangen diese friedlichen Pflanzenfresser so zu Kannibalismus - man kann sagen, damit trieben sie die Kühe sogar wörtlich in den Wahnsinn. Tiefer kann die Achtung vor dem Tier wohl nicht mehr fallen - aber ein Tiefpunkt ist per Definition ein Wendepunkt.

In unserer Gesellschaft wird umgedacht. Tier- und Umweltschutz ist eine Herzenssache vieler Menschen geworden. Das Wissen, daß wir letztendlich von einer intakten Natur abhängen, ist allgemein geworden. Die politische Forderung, Tiere gesetzlich nicht mehr weiter als "Sache" zu definieren, ist nicht mehr zu unterdrücken. Der Fleischkonsum geht stetig zurück, und Hunde wie Katzen gelten den Psychologen als "Medizin" gegen Vereinsamung und Depression, vor allem im gesellschaftlich oft ausgesperrtem "Alter".

Die Zoologen und Verhaltensforscher, die den Tieren nach wie vor nur reflexhaftes, instinktgesteuertes Verhalten zugestehen, geraten zunehmend als hoffnungslose Ideologen eines antiquierten, mechanistischen Weltbildes ins Abseits. Dieser positive Wandel in der Wertschätzung der Tiere spiegelt uns zurück, daß wir auch uns selbst wieder als Geschöpfe dieser Erde verstehen lernen, und wie wir langsam akzeptieren, daß wir uns, im Interesse unseres eigenen Überlebens, nicht mehr als ihre Besitzer und Beherrscher gebärden können.

Als Sinnbildbasis für die Tiere um uns herum finden wir bis in die heutige Zeit hinein die großen Spannungsbögen Geburt und Tod, Nahrung und Kampf, Sexualität und Spiritualität. Wir können daran auch wunderbar den Wandel ablesen, dem diese Werte im Laufe der Fortentwicklung der Kultur unterlagen. Fruchtbarkeit war für die frühen Menschen das alles beherrschende Lebensprinzip. Um sie wurde gebetet, Menschen- und Tieropfer sollten sie erhalten, die Mächte des Diesseits und des Jenseits standen in ihrem Dienst oder trugen ihr Antlitz, sie bildete den alles umfassenden Daseinsgrund in seiner doppelten Bedeutung.

Die Erde war als mütterlicher Schoß heilig. Schlangen, suhlende Schweine und der Bär in seiner winterlichen Höhle wurden daher als Erdenwesen tief verehrt. Das Wasser brachte Wachstum und Keimkraft. Fische, Frösche und die Wasservögel waren deshalb Attribute der Großen Mutter in ihrem Fruchtbarkeitsaspekt. Der Tod gehörte als ihre dunkle Seite ebenso zu ihrem Wesen. Ohne Tod keine Erneuerung: dieser Glaube war aus der Anschauung geboren. Denn ohne Winter kein neuer Sommer, ohne Nacht kein weiterer Tag, ohne Tod keine Wieder-Geburt. Die Eule als stille Jägerin im Dunklen wurde zum mächstigsten Symboltier der Großen Mutter, sie wurde zum Sinnbild der verborgenen Zusammenhänge von Tod und Leben. Im heutigen Aberglauben gilt ihr Ruf nur noch als todkündend, denn an ein Sterben zu einem erneuten Leben, an Wiedergeburt wird nicht mehr geglaubt. In den alten schamanischen Jägerkulturen galten die weißen Knochen eines erlegten Tieres als heilige Garanten seiner Wiedergeburt. Besonders die Schädel bargen nach diesem Glauben die Kraft ewiger Lebenserneuerung, deshalb wurden sie nie weggeworfen, sondern an Ehrenplätzen aufgestellt. Ein Jäger, der sich heute stolz den Schädel mit Geweih eines Zwölfenders als Trophäe in sein Wohnzimmer hängt, weiß wohl kaum, daß er damit dem uralten Ritual der Bitte um Wiederkunft dieses Tieres folgt. Für ihn bedeutet der Schädel endgültig vergangenes Leben und Sinnbild seiner Überlegenheit, seines Triumphes über die Natur, die er sich "untertan machte".

Typisches Opfertier der Fruchtbarkeitskulte zu Ehren der Großen Mutter war in ganz Eurasien das Schwein, besonders der Eber, und im vorderen Orient auch der Stier. Das Blut des rituell getöteten Tieres mußte in die Erde fließen, um sie für eine neue Ernte zu befruchten. Der Tod bedeutete die "Hochzeit" mit der Erde, ihre Schwängerung zu neuem Leben.

Joseph Campbell schreibt in seinem Werk: "Mythologien der Urvölker": "Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß in den allerfrühesten Zeiten der menschlichen Geschichte die magischen Kräfte und das Wunder der Frau nicht weniger erstaunlich waren als das Weltall selbst, und dies verlieh der Frau eine gewaltige Macht, die zu brechen, zu beherrschen und eigenen Zwecken dienstbar zu machen, eines der Hauptanliegen des Teiles der männlichen Bevölkerung war. Es ist in der Tat höchst bemerkenswert, wie viele Jägervölker die Sage von einem früheren Zeitalter kennen, in dem die Frauen die alleinigen Besitzer der magischen Kunst waren." Die Männer brachen die Macht der Frauen. In etwa dürfte der kulturelle Wandel vom Matristischen Zeitalter zum Patriarchat um 4500 v.Ch. vollzogen gewesen sein. In der Wissenschaft wird selten von einem Matriarchat gesprochen. Hingegen werden die Begiffe "matristisch" oder "matrilinear" bevorzugt, weil keinerlei Indizien darauf hinweisen, daß in diesem Zeitalter Männer diskriminiert gewesen wären. Die Macht der Frauen war magischer, lebenserhaltender Natur und hatte nichts mit Herrschaft gemein.

Im Zuge dieses ungeheuren kulturellen Wandels löste in Europa das Pferd, als das heilige Tier der einfallenden, patriarchal organisierten Indogermanen, den Eber in seiner vorrangigen Opferbedeutung ab. Im vorderen Orient übernahm der Widder, als Gottessymbol neu entstehender patriarchal und despotisch geprägter Hirtenkulturen, die Opferrolle des Ebers vollständig. Schweine wurden dort als die heiligen Opfertiere der Großen Mutter zu unreinen Tieren erklärt und ihr Verspeisen verboten, denn göttliche Schöpfungskraft wurde nun als "männliche" Kraft definiert. Die Eule als Sinnbild des Todesaspektes der Großen Mutter wurde in diesem neuen Denken zu einem gefährlichen und bösen Nachtgespenst umgedeutet und zum Vorbild aller Hexen. Der Stierkampf im heutigen Spanien ist ein - zu einem traurigen Spektakel verkommenes - uraltes Fruchtbarkeitsopferritual im Dienste der Großen Mutter. In diesem Pseudokampf mit einem Stier wollen sich die Männer nur noch als "stieriger", als noch männlicher als sogar ein Stier es ist, beweisen. Macho-Kult statt Bitte um Lebens-Erneuerung.

Nicht nur die Fruchtbarkeit der Natur, auch die eigene, menschliche Fortpflanzung oder, je nach Glauben, Wieder-Geburt wurde und wird durch Tiere versinnbildlicht. Der Frosch galt schon im alten Ägypten als Symbol des Embryos und als Talisman für Empfängnis - und noch heute werden Muscheln, Fisch und Kaviar bei vielen als Potenzmittel geschätzt. Das so überaus fruchtbare Schwein galt als heilig, solange weibliche Sexualität (und Fruchtbarkeit) einen hohen Stellenwert genoß. Heute wird Sexualität aus Freude am Geschehen selbst schnell verächtlich eine "Schweinerei" genannt. Die Schlange, im Matristischen Zeitalter Symbol sowohl der Erde als auch des sie befruchtenden Phallus, wurde im Patriarchat als Inbegriff von Sexualität und Körperlichkeit als der "Wurm" verdammt. In den Mythen wird sie sowohl vom heidnischen Siegfried als auch vom christlichen Georg bekämpft und besiegt. Lustvolle Sexualität gilt vielen christlich geprägten Menschen immer noch als unmoralisch bis tabu. Ein "geiler Bock" genießt nicht gerade hohes Ansehen. Unsere Kultur zeigt sich mit diesen Ausdrücken als körperfeindlich. Positiv bewerten wir mehr geistbezogene Menschen, wie z.B. jemandem mit dem Scharfblick eines Adlers oder mit dem Mut eines Löwen.

Die biologische Fruchtbarkeit des Menschen ist in unserer Zeit zu einem Problem geworden, denn die Erde ist überbevölkert. Wir können diesen Wandel in der Bewertung von fruchtbarer Mütterlichkeit in der westlichen Welt, wo das Problem der Überbevölkerung als Problem erkannt ist, sehr gut an dem Bedeutungswandel des Begriffs "Glucke" ablesen. Sie gilt nicht mehr wie früher als Inbegriff liebevoller mütterlicher Fürsorge für eine zahlreiche Kinderschar. Inzwischen ist der Ausdruck vielmehr negativ belastet. Eine Glucke ist eine Frau, die sozusagen außer Kindern nichts im Kopf hat. Signifikant für unsere Kultur ist auch der Umgang mit einer "Heiligen Kuh". In Indien wird sie immer noch als Sinnbild mütterlicher Schöpfungskraft verehrt und geschützt. Es ist dort nach wie vor tabu ihr Fleisch zu essen. Im Westen dagegen ist sie ganz allgemein zum Symbol überholter Prinzipien geworden, die es zu "schlachten" gilt, will man nicht, auf welchem Gebiet auch immer, verlieren.

Zu schlachten gilt es ganz bestimmt die Idee ewigen, stetigen Wachstums. Schließlich können auch Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wachstum ist der aktive Aspekt der Fruchtbarkeit. Man könnte sagen, es entspricht in der Vegetation dem Frühling und Sommer. Der passive Aspekt, dem Ruhe, Rückgang, Verzicht, Tod und Verwesung enspricht, wird verdrängt. Winter, Kälte, Dunkelheit und Sterben sind zu rein negativen Qualitäten degeneriert und an den Rand der Tabuzone gedrängt worden. Das hat bittere Folgen. Durch unsere Wachstumsbesessenheit droht unsere Luft zu verpesten, viele Gewässer sind schon verdreckt bis vergiftet und durch Erosion verwüsten immer weitere Landstriche. Unsere Kultur betet, unausgesprochen, den Gott der Quantitäten an: mehr und mehr von allem, was man als angenehm erlebt, wird gewünscht, oft solange bis man daran erstickt. Genau so sehr, wie sich die Gestalt des heutigen, riesigfetten Mastschweines bis hin zur Lebensuntüchtigkeit gegenüber früheren Hausschweinarten verändert hat, so hat sich auch sein Symbolwert gewandelt: aus dem Sinnbild von Fruchtbarkeit wurde das Abbild von Völlerei.

Mehr Qualität statt Quantität: diesen Wandel der Prioritäten brauchen wir zum Überleben. Ich bin voller Hoffnung, daß dies gelingt, denn zu positiven Symboltieren unserer Zeit sind, wie ich meine, die Wale, und ganz besonders die Delphine geworden. Der Wal erzählt uns von unseren eigenen Wünschen nach sauberen Meeren und nach Freiheit. Im Delphin sehen wir unsere Träume verkörpert, Klugheit ohne Machtanspruch zu erleben, eine Welt voller Spiele statt voller Kämpfe zu bewohnen, und er spiegelt uns unsere Sehnsucht nach Kommunikation, nach Verständnis jenseits von Sprache und Art.

Der "Stärkere" zu sein im Kampf mit der Wildnis und ihren Tieren, das war für den frühen Menschen eine Frage des Überlebens. Kraft bedeutete für ihn primär jägerische Kampfkraft. Für uns heutige Menschen gilt es, Kraft neu zu definieren. Stärke darf uns nicht mehr dazu verführen, als "Kämpfer" aufzutreten, die nach Geld, Rohstoffen und Einfluß jagen, und die vorzugsweise in einem Vernichtungskampf gegen die Natur und gegen konkurrierende Menschen die Konfliktlösung suchen. Stark ist heute, wer die Wesenskraft aufbringt, auf einen Kampf zu verzichten und Kompromisse zu wollen.

Die Kraft des Bären ist sprichwörtlich. Unsere Vorfahren nannten ihn gelegentlich den "wilden Mann". Der Polarstern (astronomisch: "Arktos"- Bär) wurde nach ihm benannt und sein Kult reicht so weit in die Zeit zurück, wie kein anderer. Heute wird er als Teddybär, als niedliches Spielzeug geliebt. Wohl kein anderes Tier bringt so deutlich den Wandel zum Ausdruck, den die Menschheit in ihrem Verhältnis zur Natur vollzogen hat. So harmlos wie der Bär als Plüschtier im Schaufenster liegt, so gefahrlos sind für uns Wald und Flur geworden. Wildnis kennen wir so gut wie nicht mehr. Und wir beginnen sie zunehmend zu missen. Bären werden in europäischen Nationalparks wieder angesiedelt: sie sind zu Symbolen letzter intakter Lebensräume geworden. Vielleicht - das wäre "bärenstark" von uns - werden sie sogar zu Symbolen der Koexistenz von Mensch und Tier.


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Cornelia Savory-Deermann Cornelia Savory-Deermann

Cornelia
Savory-Deermann
, geboren 1945 in Wuppertal, hat seit 1971 Englische Bulldoggen. Seit Mai 2005 haben die Bulldogs hier ihr eigenes deutsches Weblog bekommen:

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Die Buchkapitel:

Inhalt

Einleitung

Tiere als Spiegel der Seele

Tiere als Sinnbild der Kultur

Bilder von Maggie M. Roe

1. Adler
2. Bär, Bärin
3. Biber
4. Biene
5. Delphin
6. Esel
7. Eule
8. Falke
9. Fisch
10. Fledermaus
11. Frosch, Kröte
12. Fuchs
13. Gans
14. Hase
15. Hirsch
16. Huhn, Hahn
17. Hund
18. Katze, Kater
19. Krebs
20. Kuh, Stier
21. Maus
22. Möwe
23. Mücke
24. Muschel
25. Otter
26. Pferd
27. Rabe
28. Ratte
29. Reh
30. Schaf, Widder
31. Schildkröte
32. Schlange
33. Schmetterling
34. Schwan
35. Schwein, Eber
36. Seehund
37. Spinne
38. Storch
39. Taube
40. Wal
41. Wolf
42. Ziege, Z-Bock

Literatur-Verzeichnis




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