Tiere als Spiegel der Seele und Sinnbild der Kultur
www.cornelias-tierbuch.de

Taube


Zum Symbol, zum Sinnbild gewordene Eigenschaften

  • In der Frühzeit der Menschen symbolisierte die Taube "eros" als Weisheit und Güte der Schöpfungsmutter. Sie war der sanfte Seelenvogel der Liebesgöttinnen. Ihr auffallend ausgeprägtes Balzverhalten hatte sie zum Sinnbild der Liebe und der Fruchtbarkeit werden lassen.
  • Mit Beginn des patriarchalen Zeitalters wechselte ihre Bedeutung zu "logos" als Schöpfungsprinzip. Im Christentum wurde sie entsprechend zum Symbol des Heiligen Geistes in einer männlich verstandenen göttlichen Trinität. In alten Märchen erscheinen sie als Seelenvogel sowohl weiblich als Anima, als auch auch männlich als Animus.
  • Die Wehrlosigkeit der Taube ließ sie zur Friedentaube werden. Aber Wehrlosigkeit allein heißt nicht Friedfertigkeit. Tauben sind nur in Freiheit zu Frieden auch innerhalb von Taubenmassen bereit. In unfreien Situationen werden sie zu "Mobbern" - wie Menschen.


Die Taube als Liebesvogel

Bis in die heutige Zeit hinein sind zwei schnäbelnde Tauben ein populäres Liebessymbol. Sprichwörtlich wurde das "Turteln wie die Tauben". Die biologische Synchronisation zweier Tauben zur Paarungsbereitschaft erfolgt ausschließlich über den Gesichtssinn und nicht wie bei vielen anderen Tieren über den Geruch oder das Gehör. Ihr ausgiebiges, durchaus zärtlich zu nennendes Balzverhalten ist deshalb für den Menschen gut zu beobachten. So wundert es nicht, daß der gurrende, laute Ruf der Taube in unzähligen Varianten als Liebesruf übersetzt wurde: "Ruckedidu - der Schatz bist du" ist nur ein einziges Beispiel dafür.

Die Taube war in Mesopotamien weit verbreitet, dort galt sie als Sinnbild weiblicher Fruchtbarkeit und war der Ischtar heilig. Sie wurde als überaus schön empfunden und inspirierte auch das Hohe Lied des Alten Testamentes (HL 1): "Deine Augen sind wie die eines Täubchens" und (HL 2): "Mein Täubchen in den Felsen, / in der Bergwand, im Versteck: / Lass mich deinen Anblick genießen, / lass mich hören deine süße Stimme, / zeig mir dein liebes Gesicht!" Ihr Kult breitete sich im ganzen Vorderen Orient aus und gelangte vermutlich über Italien im Zuge der Völkerwanderung nach Europa. In den altgermanischen Kulten spielte sie keine Rolle.

Die Taube symbolisiert heute durch den Einfluß des Christentum nicht nur Eros sondern auch Agape, die umfassende göttliche Liebe. Nun, beide Seiten gehören zur Liebe, denn die erotische Liebe wird als ein herrliches, im Grunde uns unbegreifliches, "göttliches" Gefühl erlebt. Liebe ist nie seelenlos und solange wir inkarniert sind, auch in ihrer Gänze nicht körperlos erfahrbar.


Die Seelentaube und die Kinder

In Vorderasien wurde im Altertum geglaubt, daß Tauben die Träger von Kinder-Keimlingen seien. In einem Taubenei war einer Sage nach die babylonische Herrscherin Semiramis zur Welt gekommen und dann von diesen behütet worden. Im Alten Testament wird Babylon die Stadt der Tauben genannt. Die alte Hauptstadt Persiens, Isfahan, ist heute noch von vielen hundert Taubentürmen umragt. Die Tauben waren allgegenwärtig wie Kinder es waren. Jerusalem hieß ebenfalls Stadt der Tauben, Tauben waren dort die Opfertiere der einfachen Leute. So opferten die Eltern Jesu „gemäß dem Gesetz“ bei der Beschneidung ihres Erstgeborenen im Tempel ein Taubenpaar (Luk. 2). Auf ägyptischen Hieroglyphen symbolisierte die Taube zusammmen mit einer Palme und dem Vogel Phönix die Zeit und die Zeugung, das heißt den Fortbestand der Menschheit auf Erden.

In Griechenland war die Taube eines der Totemtiere der Aphrodite und der Venus. Diese Göttinnen brachten durch die Freuden der Liebe, durch die sexuelle Lust Seelentauben als Kinder zur Inkarnation. Insbesondere weiße Tauben galten seit eh und je im Nahen Osten als Verkörperungen von Seelen. In dieser religiösen Tradition wird bis heute von der Römischen Kirche der Glaube vertreten, daß der Heilige Geist - vorgestellt als weiße Taube - Maria mit Jesus schwängerte. In diesem Zusammenhang erscheint mir der Glaube an die Jungfrauengeburt von Jesus, den die Römischen Kirche ebenfalls auch heute noch von ihren Anhängern fordert, zwar als irreal aber als in sich konsequent.

Die Taube symbolisierte zu Zeiten des Neuen Testamentes noch nicht ausschließlich Geist, sondern immer noch auch Kinder. Matthäus legt Jesus die Worte in den Mund: "Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Seid also verständig wie die Schlangen und arglos wie die Tauben." Arglos sind Kinder, hier als Gotteskinder zu verstehen, die auf seine Hilfe vertrauen sollen. Allerdings hilft Vertrauen alleine auch nicht in einer Welt der Feinde (Wölfe). "Verständig wie Schlangen" sein meint hier aus meiner Sicht: gleichzeitig erwachsen sein.


Die erfolglos symbolisch vermännlichte Taube

Herodot (5. Jahrhundert v. Chr.) schreibt über die vermutlich älteste Symbolbedeutung der Taube: Die Plejaden, das Siebengestirn, wurde die "Taubenschar der Sieben Schwestern" genannt. Diese sieben weisen Frauen in Taubengestalt hätten als die "Sieben Säulen der Weisheit" die Orakelstätte von Theben gegründet und getragen.

Im Nachklang an diese alte Vorstellung wird in der christlichen Kunst des Mittelalters der Heilige Geist sehr oft als Taube mit sieben Lichtstrahlen, die die sieben Tugenden versinnbildlichen, dargestellt. Mit Papst Benedikt XIV, der 1745 verfügte, dass der Heilige Geist immer als vom Himmel kommende Taube dargestellt werden müsse, findet der Vermännlichungs- und Vergeistigungsprozess des Taubensymbols seinen Höhepunkt. Als herausragender Vertreter patriarchaler Herrschaft versuchte der Papst so radikal wie erfolglos die Taube endgültig als Symbol des Männlich-Geistigen umzudefinieren. Erfolglos deshalb: Finden wir heute eine Taube in Antiquitätenläden oder im modernen Kunsthandwerk, so sind es so gut wie immer zwei, und diese schnäbeln als Symbol zärtlicher Verliebtheit. Im Zuge des Implosionsprozesses der Römischen Kirche hat sich die uralte, kreatürliche Liebesbedeutung der Taube wieder durchgesetzt.

Bei groß gefeierten Hochzeiten, wie man sie besonders in amerikanischen Spielfimen gezeigt bekommt, werden gerne weiße Tauben zum Himmelsflug losgelassen. Ein uraltes Liebessymbol, das auch Kindersegen bedeutet. Am Gegenpol des Lebens, dem Tod, begegnet uns die Taube wieder. Sie wird auch heute noch gern als Trauersymbol gewählt, besonders wenn das Kreuz vermieden werden soll. Die Seele eines geliebeten Verstorbenen steigt in ihr symbolisch in den Himmel auf. Liebe endet nicht mit dem Tod: Inkarnation und Exkarnation der Seelentaube.


Taube, Taufe, Teufel

Es fällt auf, wie ähnlich sich die Worte "Taube" und "Taufe" sind. Im "Etymologisch-symbolisch-mythologisches Real-Wörterbuch" (F. Nork, 1845) fand ich diesen Zusammenhang bestätigt: "Die Taube ist das Symbol des Schöpfungswassers, der Urfeuchte, darauf spielen nicht nur die Sprachen an - taufen, tauchen; columba altgriech. = schwimmen - sondern auch die Mythen, welche die Taube zum Regen (Hyade) und Schiffergestirn (Plejade) erhoben, sie vielleicht auch wegen ihrer Üppigkeit und Fruchtbarkeit als den heiligen Vogel der aus dem Wasser entstandenen Liebesgöttin bezeichneten."

Wulfila (4. Jahrhundert) übersetzte als erster die Bibel in eine germanische Sprache, ins Gotische. Für "baptizein" (griech. untertauchen) nimmt er das Wort "daupjan" (tauchen). Der Zusammenhang zwischen "tauchen" und "Taube" ist demnach bei den eine germanische Sprache sprechenden Völkern uralt, vermutlich ähnlich alt wie im Orient und Griechenland. Die Taube (engl. dove) und das Tauchen (engl. dive) hat auch den gleichen Wortstamm wie "tief" (engl. deep), nun, es wird ja in die Wassertiefe getaucht, und dort ist es dunkel. Dazu passt der Zusammenhang, den manche Linguisten in die germ. Grundform von Taube, "dubon", mit dem altir. "dub"= "schwarz" sehen. Dies "dub"= "schwarz" führte mich zugleich assoziativ weiter zu "Teufel", der ja auch schwarz vorgestellt wird. Diese intuitive Verbindung zwischen Taufe und Teufel erstaunte mich zunächst. Schließlich wird mit der Taufe der Glaube verbunden, im Licht des christlichen Gottes und im Symbol seines Geistes als Weiße Taube neu geboren zu werden. "Ich sah den Geist als Taube vom Himmel herabschweben und auf ihm (Jesus) verweilen", sagte der Täufer über Jesus (Joh. 1). Nach kurzem Stutzen wurde mir klar, dass mit dem christlichen Gott ja auch der Teufel kulturellen Einzug hielt: nach C.G. Jung möchte ich ihn als Gottes Schatten bezeichnen. Psychoanalytisch gesehen wurde mir damit der Zusammenhang zwischen der Taufe, dem Abtauchen in die dunkle Wassertiefe und dem Teufel als "Schatten" in der Wassertiefe, das heißt dem Unterbewußten klar.

Nun, mein assoziativer Gedankengang war "unwissenschaftlich", ich war spontan einem Sound gefolgt, in dem Sprache als codierte Weisheit durchklang. Also mußte ich noch über den "Teufel" recherchieren: Linguisten leiten das Wort "Teufel" von "Diabolus" ab, was wörtlich "Zwiespalter" meint. Sigmund Freud formuliert es so: "Vom bösen Dämon wissen wir, dass er als Widerpart Gottes gedacht ist und doch seiner Natur sehr nahe steht ... Es braucht nicht viel analytischen Scharfsinns, um zu erraten, dass Gott und Teufel ursprünglich identisch waren, eine einzige Gestalt, die später in zwei mit entgegengesetzten Eigenschaften zerlegt wurde... Es ist der uns wohl bekannte Vorgang der Zerlegung einer Vorstellung mit ambivalentem Inhalt in zwei scharf kontrastierende Gegensätze." Die Taufe läßt sich also auch im Sinne Freud´s als eine Einweihung in Gottes und in des Teufels Reich interpretieren, da Gott und Teufel "ursprünglich identisch waren". Mit der Taufe erhalten auch der Römischen Kirchenlehre nach Himmel UND Hölle, Gott UND Teufel für den Täufling als Kirchenmitglied Verbindlichkeit. Betrachten wir das ursprüngliche Taufritual psychoanalytisch, so läßt sich das Abtauchen ins dunkle Wasser als Begegnung mit dem eigenen Schatten verstehen, den es zu integrieren gilt. Würde Taufe so verstanden, dann könnte sie wunderbar als Individuationsimpuls wirken.

Es blieb noch die Frage für mich, warum ausgerechnet die Taube und kein Wasservogel zum Symbol für "daupjan" (tauchen) wurde. Ich erkläre es mir so: Für Wasservögel ist es normales Verhalten, ins Wasser abzutauchen, aber weder für Tauben noch für Menschen. Tauben baden aber gerne - und sei es in Pfützen. Menschen bade(te)n typischerweise um sich zu säubern, und Tauben in der menschlicher Projektion vermutlich auch. Dazu passt die Verehrung, welche gerade die weiße, die "saubere" Taube genoß. Das Ritual der ursprünglichen christlichen Taufe, untergetaucht und dann aus dem Wasser neu geboren zu werden, macht demnach symbolhaft aus dem erwachsenen Täufling wieder ein "reines" schuldloses Kind mit "weißer Taubenseele", als das es ein neues Leben im Namen des christlichen Gottes beginnen will, oder bei einem Säugling als Täufling beginnen soll.

Säuglinge werden aus dem (Frucht-)Wasser der Frau geboren, analog sollte der Täufling aus dem Taufwasser als Kind des männlichen Christengottes neu geboren werden. Hier erkennen wir wieder die patriarchale Abwertung der Frau, diesmal als Mutter: aus ihr geboren zu werden bedeutet nicht heilig, nicht des "Himmels" würdig zu sein. In den "Himmel" kommt ein toter Säugling nach der Lehre der Römischen Kirche erst, wenn er neugeboren wurde aus dem Taufwasser im Namen des "Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes". Die alte Taufzeremonie des Untertauchens wurde von den meisten christlichen Kirchen schon früh reduziert, sie gossen nur noch Wasser über den Kopf des Täuflings, um seine Seele wieder zu einer "weißen Taubenseele" zu reinigen. Sie wuschen ihm so gesehen den Kopf, und "Den Kopf waschen" meint ja die Gedanken "zurecht zu rücken" - hier im Sinne des jeweilgen Bibelverständnisses der jeweiligen christlichen Kirche oder Sekte. Wen wundert es, dass mir dabei sofort das Wort "Gehirnwäsche" einfällt?


Archetyp der Anima als Seelentaube

Ein Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm: "Aschenputtel", der Inhalt:

Einst versprach die sterbenskranke Frau eines reichen Mannes ihrer Tochter, ihr auch nach ihrem Tode immer nahe zu sein. Der Vater heiratete dann wieder, sie war eine schlechte Frau mit zwei ebenso schlechten Töchtern. Die Tochter des Mannes mußte alle Arbeit erledigen und durfte nur in der Asche am Herd schlafen, deshalb wurde sie "Aschenputtel" genannt. Eines Tages fuhr der Vater zum Markt. Seine zwei Stieftöchter wünschten sich Tand von dort als Geschenk, seine Tochter Aschenputtel aber einen Zweig vom Strauch, der seinen Hut streifen würde. So brachte er ihr einen Haselreisig mit. Aschenputtel pflanzte ihn weinend auf das Grab ihrer Mutter, und er wurde ein starker Baum.

Eines Tages lud der König alle Mädchen seines Reiches zu einen Fest ein, auf dem sein Sohn sich eine Braut erwählen sollte. Aschenputtel wollte gerne mit seinen Stiefschwestern auf dieses dreitägige Fest, aber es wurde ihr verboten. Sie sollte stattdessen Erbsen und dann noch Linse verlesen. Die Tauben halfen ihr, sie rief ihnen zu: "die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen". Aber sie durfte immer noch nicht auf das Königsfest, weil sie kein Festkleid hatte. Nun lief sie zum Hasel auf ihrer Mutter Grab und rief: "Bäumchen rüttel dich und schüttel dich! Wirf Gold und Silber über mich!" Eine Taube im Hasel warf sogleich ein gold- und silberbesticktes Kleid und Schuhe dazu herunter. So ging sie zum Fest. Der Königssohn verliebte sich gleich in sie. Er wollte sie nach Hause begleiten, aber sie entwischte ihm und sprang ins Taubenhaus, legte die schönen Kleider auf das Grab seiner Mutter und sich selbst in die Asche am Herd. Für den zweiten Festabend erhielt sie noch schönere Kleider von der Taube im Hasel auf dem Muttergrab, aber sie entfloh dem Königssohn wieder. Am dritten Festabend, in einem allerschönsten Kleid, verlor sie aber bei ihrer Flucht ihren goldenen Schuh.

Mit diesem Schuh zog der Königssohn von Haus zu Haus, alle Mädchen mußten ihn anprobieren, aber er passte keiner. Die Stiefschwestern von Aschenputtel hackten sich einen Zeh ab, um in den Schuh hineinzukommen. Aber die Taube rief: "Rucke di guck! rucke di guck! Blut ist im Schuh, der Schuh ist zu klein, die rechte Braut sitzt noch daheim!" Da bestand der Königssohn darauf auch Aschenputtel zu rufen. Sie probierte den Schuh, und der saß wie angegossen. Da erkannte der Königssohn in ihr seine Tänzerin des Festes. Er nahm sie auf sein Pferd, und als sie am Grab der Mutter vorbeikamen, riefen die Tauben: "Rucke di guck! Rucke die guck! Kein Blut ist im Schuh. Der Schuh ist nicht zu klein, die rechte Braut, die führt er heim!" Bei der Hochzeit wollten die schlechten Stiefschwestern sich einschmeicheln und gingen rechts und links neben dem Brautpaar zum Altar. Da flogen die Tauben herbei und hackten ihnen die Augen aus, damit sie als Strafe bis zum Ende ihrer Tage blind seien. Und wenn sie nicht gestorben sind,...

In diesem Märchen werden uralte Zaubersymbole benutzt: der Haselstrauch galt seit eh und je als Zauberbaum der Feen und Hexen, und die Taube war immer schon Sinnbild der Seele. Der Haselstrauch auf dem Grab der Mutter und die Taube in ihm sprechen also von der schützenden und führenden Kraft der "himmlischen Mutter" - oder im Sinne C.G.Jungs der "Anima" - als höchster und mächtigster innerseelischer Instanz des Aschenputtel. Wie die meisten der uralten Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm läßt sich auch dieses sehr gut als die Beschreibung der innerseelischen Prozesse der Hauptgestalt deuten.

Aschenputtel erlebt sich als das "unschuldige Opfer". Sie versteht ihr trauriges Schicksal als von außen über sie hereinbrechend. Wo ein "Opfer", da ist aber auch ein "Täter". Ihr "Tätersein" geschieht ebenfalls in ihrer Psyche - genau so wie ihr "Opfersein" - nur ins Unbewußte abgedrängt. Diese unbewußten Schattenfiguren in ihr verkörpern die "dunkle" Stiefmutter und die Stiefschwestern. Aschenputtel ist ein Mädchen, das sich ungeliebt, häßlich und minderwertig glaubt und fühlt, und das sich deshalb selbst bestraft, sich wörtlich in "Schutt und Asche" begibt. Ihre Seele, "Anima" (Taube im Hasel) führt sie aus dieser Jammerlage heraus.

Zunächst aktiviert ein höhere Instanz in ihr den "Alten Weisen" (wünscht sich ein Reis vom Hut ihres Vaters), er steht ganz allgemein für Geist, Weisheit und Willen. Er steht hier für eine initiierender Wirkung (er bringt den Reis mit, sodaß sie ihn eingepflanzen kann). Der Archetyp der "Alten Weisen" in Aschenputtel vollbringt das Wachstum ihrer "Anima" zur Reife (der Reis wird zum Baum auf dem Muttergrab). Aschenputtel erfährt durch ihre "Anima", vielleicht in Träumen, sicherlich aber durch ihre große Sehnsucht nach Liebe (möchte unbedingt auf das Fest) ihre innere Schönheit, ihren Liebreiz und ihre Liebesfähigkeit (silber- und goldene Kleider und Schuhe) und glaubt schließlich auch an ihren inneren Glanz (nach dem dritten Festabend "läßt" sie sich vom Prinz "enttarnen").

Das Symbol des "passenden Schuh" macht deutlich, sie kann den in ihr angelegten Lebensweg zu Liebe und Wachstum nun beschreiten. Die "3" (am 3. Festabend) bedeutet die Überwindung von Spaltungen (Überwindung der "2") hin zu einer Einheit, zu einer "1", die aber nicht mehr unbewußt gegeben, sondern durch Erfahrung und Seelenarbeit gewonnen wurde. Ich möchte sie eine höhere Einheit nennen.

Im Märchen bedeutet die königliche Hochzeit im allgemeinen die seelische Ganzwerdung eines Menschen. Alle seine Aspekte versöhnen sich miteinander und werden an eine Stelle, in eine Funktion gerückt, an der sie dem Menschen zu seinem Wohl, zu seinem Wachstum dienen können, und ihn nicht mehr schädigen. Die "Schatten" im Sinne C.G.Jungs (Stiefschwestern, die sich Tand wünschen und auf "zu großem Fuß" leben wollen) des Aschenputtel treten schmerzhaft als Selbstverletzungen durch ein übergroßes Ego (Stiefschwestern, die sich Zehen abschneiden) ins Licht des Bewußtseins (die Tauben rufen laut: "Blut ist im Schuh"). Damit ist die Entwicklung frei zur Ganzwerdung (Hochzeit). Die Schattengestalten werden nicht vernichtet, aber sie werden entmachtet durch die Ganzwerdung eines Menschen (bei der Hochzeit hacken die Tauben den Schwestern die Augen aus). Aschenputtel kann sich selbst jetzt nicht mehr - durch deren Augen - als ungeliebt und minderwertig sehen. Sie quält sich selbst nicht mehr durch diese negative Sicht ihrer selbst - und ist damit auch nicht mehr ihr eigenes Opfer. Sie erkennt sich jetzt als die wunderschöne "Königin" ihres Lebens.


Archetyp des Animus als Seelentaube

Ein Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm: "Die Alte im Wald", der Inhalt:

Ein Dienstmädchen fährt zusammen mit seiner Herrschaft durch den Wald. Sie werden von Räubern überfallen, nur das Dienstmädchen überlebt dies. Verzweifelt kauert sie sich unter einen Baum. Eine weiße Taube kommt geflogen, die ihr einen kleinen goldenen Schlüssel gibt und ihr einen großen Baum zeigt, zu dessen Schloss er passt. In diesem Baum würde sie Nahrung finden. Nachdem das Mädchen satt ist, wünscht sie sich ein weiches Bett, und die Taube kommt wieder zu ihr mit einem Schlüssel für einen zweiten großen Baum, wo sie dieses Bett findet. Am Morgen gab ihr die weiße Taube einen dritten Schlüssel für einen dritten großen Baum, indem sie wunderschöne Kleidung finden wird.

Nach einer längeren Zeit bittet die Taube das Mädchen um einen Dienst. Sie möge sie zu einem Haus im Wald führen, in dem eine Alte am Herd sitze, aber sie solle dieser auf keinen Fall antworten, sondern nur nach einem ganz schlichtem goldenem Ring suchen und ihr diesen bringen. Das Mädchen tut, was ihr die Taube aufgetragen. Doch den beschriebenen schlichten Ring kann sie nicht unter all den prächtigen Schmuckringen im Haus der Alten finden. Da bemerkt sie, wie sich die Alte mit einem Vogelkäfig aus dem Haus schleichen will — und dass die in diesem Käfig gefangene Taube eben jenen Ring im Schnabel hält. Sie nimmt den Ring und läuft damit aus dem Haus. In der Hoffnung, ihre Taube würde kommen, lehnt sie sich an einen Baum, um auf sie zu warten. Doch die Taube kommt nicht. Stattdessen spürt sie, wie sich die Zweige des Baumes um sie schmiegen, und sie sieht, wie sich der Baum in einen schönen jungen Mann verwandelt hat, der sie umarmt und küßt. Er ist der Sohn eines Königs, den die Alte in einen Baum verwandelt hatte und der nur ein paar Stunden am Tag als Taube umherfliegen durfte. Das Mädchen hat den Zauber gebrochen, indem sie der Alten den Ring entwendet hat. Die beiden heiraten und werden glücklich. Und wenn sie nicht gestorben sind,...

In diesem alten Märchen symbolisiert die weiße Taube die Seele eines jungen Mannes. Ich deute seine Verzauberung durch "die alte Frau" in einen Baum als eine übermächtige Mutterbindung. Als Baum beim Haus der Mutter (Haus der Alten) kann er sich nicht von ihr fortbewegen, er ist als Baum dort fest verwurzelt. Eine Seele kann man aber nicht völlig gefangen halten (im Käfig im Haus der Alten), sein innerer "Animus" schweift aus (Taube fliegt frei ein paar Stunden am Tag). Er (als Taube) findet das Abbild seiner inneren "Anima" (Dienstmädchen). Sein "Animus" fühlt sich wie seine "Anima" (Dienstmädchen) einsam und sehnsuchtsvoll. Der Innere Junge Mann in ihm, sein archetypischer "Animus", pflegt und stärkt in seinem Wachstumsdrang und in seiner Phantasie das Seelenbild seiner "Anima" (sorgt für Nahrung und ein Bett zur Ruhe für das Dienstmädchen). Und seine durch diese Wertschätzung gestärkte "Anima" (Dienstmädchen zieht los den Ring für die Taube zu finden) befreit schließlich seinen "Animus" und erlöst ihn (sie fällt nicht auf den vielen prächtigen Schmuck der Alten herein, sie sucht und findet den schlichten, den wahren Ring).

Ich möchte sagen, die Liebessehnsucht des Jungen Mannes nach einer jungen Frau führt ihn sozusagen aus dem "Hotel Mama" heraus (Taube im goldenen Käfig der Alten wird befreit und erlöst). Sein erstarkender "Animus" (Taube) hat ihm geholfen, seine Anima-Besetztheit durch seine Mutter zu lösen (der Baum am Mutterhaus wieder wird zum Menschen, zu einem freien Prinzen). Seine Selbst- und Ganzwerung wird im Bild der "Hieros gamos", wie C.G. Jung es nennt, gefeiert (heiratet das Dienstmädchen).


Die Friedenstaube gibt es nur in Freiheit

Im Alten Testament wird erzählt, daß Noah zu Ende der Sintflut drei Tauben aus seiner Arche losfliegen ließ um sie erkunden zu lassen, ob die Wasser wieder gesunken seien. Eine der Tauben brachte einen Ölzweig mit, als sie zurück kam. Sie mußte also Land gefunden haben. Für Noah wurde diese Taube zum Sinnbild für den Frieden, den Gott nach seinem Zorn wieder bereit war mit den Menschen zu schließen.

Auch die Griechen und Römer verbanden Tauben mit Eigenschaften wie Fiedfertigkeit und Sanftmut. "Irene" war der Beiname der Aphrodite als Friedensgöttin, und Venus wurde in diesem Zusammenhang "Venus Columba" genannt. Die Taube im Sinn der Großen Göttin war allerdings nicht Frieden als Gegensatz zu Krieg, sondern gemeint war der Frieden zwischen Tod und Leben, auf dem "Fried"hof als Seelentaube im Jenseits.

Heute werden Politiker gern eingeteilt in "Tauben" und "Falken". Die "Falken", das sind in aller Regel die Militärs, die eher kampfbereiten Herrschenden. Die "Tauben" dagegen werden die Pazifisten genannt, aber dieser Vergleich hinkt: Pazifisten lehnen jede Form der Gewaltanwendung kategorisch ab. Die Tauben dagegen sind nicht friedfertig um jeden Preis.

Tauben haben keine Körperwaffen. Ihre Schnäbel und Krallen sind sehr klein und können außer harmlosen Kratzern keinem Tier etwas antun. Auch ihre Schwingen sind als Schlagwaffen ungeeignet. Diese Wehrlosigkeit war vermutlich einer der Gründe, welcher die Taube zum Friedenssymbol werden ließ. Ein anderer Grund könnte ihr auffälliges Balzverhalten sein: wer Eros im Sinn hat, der will wahrscheinlich nicht in den Krieg ziehen. Die Hippybewegung machte diesen Aspekt zu ihrem Motto: "Make love not war!"

Die Wirklichkeit ist viel komplexer. Werden Tauben in engem Raum gehalten ohne entfliegen zu können, so schindet die stärkere in mühsamster und viele Stunden andauernder Kleinarbeit die schwächere zu Tode - wie dies Konrad Lorenz beobachten mußte, der zunächst einmal im Glauben an ihre Friedlichkeit zwei Tauben in einen gemeinsamen Käfig gesperrt hatte. Man könnte auch sagen, sie sind Meister im Mobbing.

Wehrhafte Tiere wie Stiere und Tiger führen nur unblutige Schaukämpfe untereinander aus, wenn es um Territorien oder Weibchen geht. Auch eine Krähe hackt keiner anderen ein Auge aus, wie sie es mit ihren Beutetieren tut. Alle wehrhaften Tiere haben eine Tötungshemmung ihren Artgenossen gegenüber entwickelt. Ausgerechnet dem Friedenssymbol "Taube" aber fehlt diese Tötungshemmung. Nur solange sie frei und nicht eng in Volieren gehalten werden, sind sie friedlich miteinander. Im Begriff der "Friedenstaube" wurde der Mangel an Waffen mit genereller Friedfertigkeit verwechselt.

Solange Tauben fliegen können wohin sie wollen, solange lassen sie jede fremde Taube ganz unbehelligt an ihren Futterstellen teilhaben. Tauben wissen, sie finden Nahrung überall, solange sie frei danach suchen können. Warum sich also um Nahrung streiten? Statt eines Territorialtriebes und Klauen sowie Reißschnäbeln, um dieses Territorium damit verteidigen zu können, entwickelten sie ein wunderbares Orientierungsvermögen, einen magnetischen Sinn. Sie können zur Futtersuche endlos weit ausschwärmen, denn sie finden ihren Weg von überall auf der Erde zurück zu ihrer Heimat, indem sie den erdmagnetischen Kraftlinien folgen. Sie wurden schon im alten China als Sendboten eingesetzt, und auch im zweiten Weltkrieg brachten sie Nachrichten über feindliche Truppen hinweg nach Hause.

Dank dieses Talentes, dieses Magnetsinnes können sie in ihrem Frei-sein-wollen zur Futtersuche nie verloren gehen, sondern finden immer wieder zurück nach Hause. Diese Freiheit macht sie zuhause so friedlich.


Tauben als Massenphänomen

Wir kennen Wildtauben und Haustauben. Die wilde Spezies lebt gerne in Wäldern und meidet menschliche Siedlungen. Die Haustaube stammt von der Felsentaube ab, sie liebt Gestein und Höhe, das heißt auch Gebäude. Im Altertum wurden diese Tauben "Gäste der Götter" genannt, denn sie lebten und nisteten gerne in den Tempeln. Sie galten als Glücksbringer und die Menschen bauten ihnen schöne Taubenhäuser, wie wir sie noch heute auf alten Gehöften und bei Taubenzüchtern finden können.

Die Taube ist in ihrem Sozialverhalten den Menschen ähnlich, denn sie kommt mit Taubenmassen um sich herum klar, so wie die Menschen in Großstädten mit Menschenmassen. Sie hat keinen Territorialanspruch, solange sie freien Zugang zu ihren Heimatverschlag hat, denn Futter findet sie immer irgendwo um sich herum, so wie die Menschen einen Job.

Heute werden Stadttauben häufig als Plage verstanden, die wegen ihres überall hinterlassenen Kots als Krankheitserreger gelten. Der Mensch hat dieses spezielle Problem seinerseits durch Kanalisationen und Kläranlagen gelöst. Aber die Stadttauben als MassenPLAGE zu erleben und minimieren zu wollen - vielleicht zeigt diese Reaktion ja doch ein gewisses unbewußtes Unbehagen mancher Menschen an ihrer eigenen Vermassung.


Heimat und Freiheit
Ein alter Taubenzüchter weiß:

Begegnet euch eine Taube, lernt von ihr: Klammert euch nicht fest an Eure Kultur, Eure Religion, Eure Gewohnheiten so wie ihr sie gelernt habt. Klammert Euch auch nicht an Eure Jugend, Euren Erfolg oder Euren Reichtum. Folgt der inneren Sehnsucht eurer Seele und eurem Schicksal. Fliegt auf, dann werdet Ihr dorthin finden, wo Ihr Euch im Herzen zu Hause und voller Frieden fühlt - und sei euch der Weg auch noch so weit und unbekannt. Wißt, Ihr habt einen Inneren Kompass.


Blog-interne Suchmaschine : HIER


English



Impressum

Tel.: 05292 1291
Stus Blog

Cornelia Savory-Deermann Cornelia Savory-Deermann

Cornelia
Savory-Deermann
, geboren 1945 in Wuppertal, hat seit 1971 Englische Bulldoggen. Seit Mai 2005 haben die Bulldogs hier ihr eigenes deutsches Weblog bekommen:

HIER geht es zu "Cornelias Bulldog Blog".




Die Buchkapitel:

Inhalt

Einleitung

Tiere als Spiegel der Seele

Tiere als Sinnbild der Kultur

Bilder von Maggie M. Roe

1. Adler
2. Bär, Bärin
3. Biber
4. Biene
5. Delphin
6. Esel
7. Eule
8. Falke
9. Fisch
10. Fledermaus
11. Frosch, Kröte
12. Fuchs
13. Gans
14. Hase
15. Hirsch
16. Huhn, Hahn
17. Hund
18. Katze, Kater
19. Krebs
20. Kuh, Stier
21. Maus
22. Möwe
23. Mücke
24. Muschel
25. Otter
26. Pferd
27. Rabe
28. Ratte
29. Reh
30. Schaf, Widder
31. Schildkröte
32. Schlange
33. Schmetterling
34. Schwan
35. Schwein, Eber
36. Seehund
37. Spinne
38. Storch
39. Taube
40. Wal
41. Wolf
42. Ziege, Z-Bock

Literatur-Verzeichnis




Für alle Seiten, die auf dieser Website verlinkt sind, möchte ich betonen, daß ich keinerlei Einfluß auf deren Gestaltung und Inhalte habe. Deshalb distanziere ich mich ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten und mache mir ihre Inhalte nicht zu eigen! Cornelia Savory-Deermann


Site Meter